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GERDI WESTERMEYR

Beruf: Mode-Designerin

Edition: Prien a. Chiemsee 1998

 
   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

Kompromißloser Arbeitseinsatz und konsequentes streben nach Perfektion brachten der gebürtigen Münchnerin mit ihrem Atelier für Damenschneiderei in Prien einen Ruf wie Donnerhall ein. Damen aus der Politikaristokratie sowie aus dem Industrie-, Geld- und Hochadel suchen sie auf und lassen sich von ihr fertigen, was auf Bällen, Festspielen und Hochzeiten zum gefeierten Blickpunkt wird. die STADTBROSCHÜRE sprach mit Senatorin Gerdi Westermeyr - natürlich nicht nur über Mode.

 

Frau Westermeyr, können Sie uns die beruflichen Stationen Ihres Lebens kurz schildern?

Gerne. Nach dem Besuch der Grundschule sowie der Oberrealschule in Prien, beziehungsweise Traunstein, begann ich eine Lehre als Damenschneiderin, die ich dann mit der Gesellenprüfung erfolgreich abschloß. 1955 besuchte ich eine Fachakademie, 1958 legte ich die Meisterprüfung im Damenschneiderhandwerk ab und eröffnete hier in Prien ein Maßatelier. 1984 wurde dem Atelier ein Modefachgeschäft für exklusive Damen- und Herrenmode angegliedert, 1988 wurde das Unternehmen in eine GmbH umgewandelt, deren alleinige Geschäftsführerin bin ich bis heute. Zur Zeit beschäftige ich 16 Mitarbeiter, zum Teil als Voll- und teilweise auch als Teilzeitkräfte.

Somit gehören Sie ja praktisch zur deutschen Aufbaugeneration?

Wenn Sie so wollen, schon. Und eine Lehre zu meiner Zeit hatte es noch in sich, wir hatten oft die Last eines 16-Stunden-Arbeitstages zu tragen. Mit den Jahren aber entwickelte sich die Last zur Lust, was nicht weiter verwundert, denn ich liebte meinen Beruf von Anfang an. Und das Erreichte ist mir vor allem Bestätigung und Lohn für so manche Entbehrung in all diesen Jahren. Rückblickend kann ich feststellen, daß es sich für mich durchaus gelohnt hat und daß der heutige Erfolg darauf basiert, daß die Arbeit der vergangenen Jahre anerkannt und honoriert wird.

Denkt die heutige Generation da anders?

Ja natürlich, die Zeiten haben sich geändert. Ich habe mehr als 50 Mädchen zur Damenschneiderin ausgebildet, habe dabei schon immer darauf geachtet, Harmonie in der Werkstatt zu wahren. Disharmonie ist Gift für einen Betrieb, das gilt besonders für unser Schneiderhandwerk, wo man bescheiden sein muß und wo auch die Bereitschaft da sein muß, auch mal mehr als acht Stunden am Tag zu arbeiten. Sicherlich gibt es zuweilen mit dem einen oder anderen Lehrling Probleme, gerade in puncto Arbeitszeit, denn, wie gesagt, der Nachwuchs gehört nun mal einer anderen Generation an, der Anspruchsgeneration.

Sie bekleiden darüber hinaus auch etliche Ämter?

Das ist richtig. Von 1973 bis 1994 war ich Obermeisterin der Innung des Bekleidungshandwerks Rosenheim, seit 1976 Landesinnungsmeisterin des Damenmaßschneiderhandwerks in Bayern. Ab 1979 bis 1997 stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbandes des Maßschneiderhandwerks. Seit 1990 bin ich Präsidentin des Deutschen Mode-Institutes in München, gleichzeitig Präsidiumsmitglied des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Bonn. 1994 folgte die Wahl zur Vizepräsidentin der Handwerkskammer für München und Oberbayern, Mitglied des Bayerischen Senats bin ich seit 1995.

Wir möchten Ihnen gerne einige Zeilen zur Verfügung stellen, in denen Sie kostenlos Werbung für Ihr Unternehmen betreiben dürfen.

Danke, nehme ich gerne an, aber da muß ich teilen. Da wäre erst einmal das Haute-Couture-Atelier, in dem wir ganz individuell arbeiten. Jede Kundin erhält natürlich ein Unikat, sie wird typgerecht beraten, schnitttechnisch wird auch das Beste herausgeholt, damit die jeweilige Persönlichkeit unterstrichen wird. Wir können hier jeden Gedanken und jeden internationalen Trend sofort umsetzen, was in der Konfektion selbstverständlich nicht möglich ist. Wir verarbeiten hier nur edelste Materialien, die Verarbeitung selbst ist ebenfalls absolute Spitzenqualität und auch das Preis-Leistungsverhältnis stimmt hier sicherlich. Gerade darauf achten auch sehr viele unserer Kunden, die aus ganz Deutschland hierher zu uns nach Prien reisen. Dann haben wir ja noch unser Fachgeschäft in der Seestraße mit wirklich hervorragenden Firmen wie beispielsweise Akris, Bogner, Habsburg, Jobis, Stiff, St. John und van Laack. Auch hier legen wir größten Wert auf kompetente, typgerechte Beratung.

Hat sich das Kaufverhalten der Kunden geändert?

Irgendwie schon, wo früher drei Teile gekauft wurden, sind es heute nur noch zwei. Der Kunde überlegt es sich also sehr genau, wie er sein Geld ausgibt. Dennoch darf ich sagen, daß wir im letzten Geschäftsjahr unseren Umsatz leicht erhöhen konnten.

Prominente Kunden?

Ich habe viele prominente Kunden, aber Sie werden sicherlich verstehen, daß ich keine Namen nennen möchte, schon deshalb, weil es vielen auch nicht recht wäre. Ich darf aber sagen, daß es kaum eine große Stadt in Deutschland gibt, in der nicht Kunden von mir wohnen. Zu meiner Stammkundschaft zählt auch eine Dame aus Düsseldorf, die im eigenen Flugzeug nach München fliegt, sich in der Isar-Metropole einen Leihwagen nimmt und hierher nach Prien fährt, alles wegen eines Kleides aus meinem Haute-Couture-Atelier.

Wie beurteilen Sie die Einkaufsmöglichkeiten Priens?

Sehr gut. Sie können hier hervorragend einkaufen, und das in jeder Preislage. Auch das Flair unserer Gemeinde finde ich sehr schön.

Ist Deutschland Modeödnis?

Nein, ganz bestimmt nicht. Deutschland gehört sicherlich wieder mit zu den führenden Vertretern der Modebranche. Und wir haben doch auch eine ganze Reihe international anerkannter Designer und Designerinnen. 

Haben Sie jemals Designer wie Oestergaard, Lagerfeld oder YSL kennengelernt. 

St. Laurent und Lagerfeld ja, Oestergaard nicht, dafür aber noch Oscar de la Renta, Geophrey Bean, Mary McPhetton und Holsten.

Warum gibt es in der Modebranche so viele homosexuelle Designer, haben die mehr Einfühlungsvermögen?

Manchmal frage ich mich das auch. Es liegt wohl eher daran, daß das weibliche Geschlecht eher auf die Komplimente dieser Männer ansprechen. Sie sind charmant, sie sind sehr liebenswert und haben damit zum Teil mehr Erfolg, als manche Frau. 

Wer sind Ihre persönlichen Modefavoriten?

Yves St. Laurent. Givenchy und Ungaro.

Das ehrt mich natürlich, mein Anzug ist ebenfalls von Laurent.

Steht Ihnen auch sehr gut.

Besten Dank. Wie stehen Sie zur Pelzmode?

Wenn es sich um gezüchtete Tiere handelt, schlagen zwei Seelen in meiner Brust, weil ich die Misere im Kürschnerhandwerk kenne. Es sind dort sehr viele Firmen zugrundegerichtet worden und mit ihnen zahlreiche wichtige Arbeitsplätze.

Wie beurteilen Sie den Kult um die heutigen Top-Models?

Den finde ich natürlich schon übertrieben. Ich bin der Auffassung, daß die vorgestellte Mode im Vordergrund stehen bleiben muß und nicht das jeweilige Model. Die oftmals überteuerten Models sind häufig sehr eitel und bergen auch die Gefahr in sich, daß Sie mehr darauf achten, selbst gut auszusehen. Dabei gibt es oftmals sogar Fälle, in denen ein Model das eine oder andere Stück nicht zeigen will, weil es sich darin nicht gut genug selbst präsentieren kann. Andererseits möchte ich aber auch nicht verhehlen, daß die Arbeit eines Models also wirklich auf Dauer kein allzu großes Vergnügen darstellt. All diese großen Modeschauen sind mit hektischer Arbeit hinter der Bühne verbunden. Ich spreche da aus Erfahrung, weil wir in unserem Modeinstitut Top-Models und auch Top-Dressmen beschäftigen.

Könnte ich nicht auch noch als Model dienen?

Sie können, sie können. Vielleicht nicht gerade als Model, aber als Dressman sicherlich. 

Kommen wir doch einmal auf die Zukunft der Haute-Couture zu sprechen, die sicherlich auch nicht einfach rosig und bestimmt auch Probleme hat. Woran liegt es Ihrer Meinung nach?

Sie haben recht, den ganzen Ateliers geht es im Moment nicht besonders gut, die Modebranche ist davon nicht ausgenommen, auch nicht die Haute-Couture. Außerdem: Die Schränke der Damen sind randvoll mit feiner Garderobe. Und schließlich: Dem Hang zur farbenfrohen und mit Pfiff konzipierten Konfektionsware, die einmal getragen wird und dann auch schon vergessen ist, erliegt inzwischen selbst jene Schicht der Gesellschaft, die bis vor wenigen Jahren nur Maßgeschneidertes aus bestem Material tragen wollte. Ich jedenfalls mache weiter, trete aber etwas kürzer, worüber sich meine Familie wiederum freut.

Theo Waigel behauptet: »Der Euro wird so stark wie die Mark«. Wir behaupten einfach mal das Gegenteil, womit wir wohl eher richtig liegen. Haben Sie Angst vor dem Euro?

Nein, ich habe keine Angst, es wird sich alles so einführen, wie andere Dinge auch. Allerdings denke ich, es müßte mehr für die Aufklärung getan werden.

Was macht Ihnen Angst? 

Die momentane Situation auf dieser Welt. Die Zerwürfnisse, die Anfeindungen, die wirtschaftlichen und finanziellen Probleme unserer Zeit.

Vor uns hängen zahlreiche Fotos, auf denen Sie mit prominenten Politikern abgebildet sind. Zum Beispiel Strauß, Kohl und Stoiber. Was verbindet Sie mit diesen Personen?

Mit Franz Josef Strauß war ich des öfteren auf Reisen, ich gehörte zu verschiedenen Delegationen, kannte ihn sehr gut und habe ihn auch immer sehr bewundert, das möchte ich an dieser Stelle einmal betonen. Strauß war ein unheimlich intelligenter und starker Mensch gewesen. Mit Helmut Kohl komme ich aus handwerkspolitischen Gründen sehr oft zusammen. Bei Wirtschaftsgipfeln auf dem Petersberg in Bonn oder auch bei uns im Haus des Handwerks, und natürlich auf Handwerksmessen.

Haben Sie ihn mal danach gefragt, wie er die derzeit schlechte Wirtschaftslage in den Griff bekommen möchte?

Oh ja, unser Bundeskanzler äußert sich darüber sogar sehr optimistisch. Ein Beispiel: Bereits bei den letzten Wahlen, vor vier Jahren, hatten wir in München ein Wirtschaftsgespräch anläßlich der Handwerksmesse. Schon damals war er so positiv eingestellt, aber schon damals hatten auch wir so unsere Bedenken, ob das alles so klappen würde, wie er es sich vorstellt. Kohl hat uns alle damals mit seiner Rede so motiviert, daß wir ihm geglaubt haben. Und mit »Wir« meine ich auch all die großen deutschen Wirtschaftsbosse, die ihm seinerzeit zugehört haben. Auch jetzt stehen wir wieder vor einer Wahl und auch die Handwerksmesse beginnt wieder in wenigen Tagen - ich bin wirklich neugierig, wie er sich da äußert. Das bald etwas geschehen muß, ist ja wohl mittlerweile jedem klar geworden.

Bleibt noch Edmund Stoiber.

Mit unserem Ministerpräsidenten komme ich neuerdings auch öfters zusammen, nachdem ich dem Bayerischen Senat angehöre. Außerdem habe ich vor kurzem eine große Auszeichnung bekommen, die mir unser Wirtschaftsminister Wiesheu überreicht hatte.

Um welche Auszeichnung handelte sich dabei?

Die Staatsmedaille für besondere Verdienste um die Bayerische Wirtschaft.

Herzlichen Glückwunsch nachträglich. Aber Sie haben doch schon etliche andere Auszeichnungen erhalten.

Oh ja, das Bundesverdienstkreuz am Bande, die Goldene Verdienstmedaille des Weltverbandes der Maßschneider, Handwerkszeichen in Gold des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Bonn, zahlreiche Urkunden für beispielhafte Leistungen in der Berufsausbildung junger Menschen, vergeben vom Bayerischen Wirtschaftsminister, beziehungsweise vom Bundespräsidenten. Außerdem diverse Auszeichnungen durch das Österreichische Kleidermacherhandwerk und sogar die Goldene Schere des Japanischen Maßschneiderhandwerks.

Sprechen wir mal von Geld. In welchen Situationen achten Sie nicht aufs Geld?

Wenn es um meine Kinder geht.

Sie haben derer zwei, richtig?

Ja, und ich bin auch sehr stolz auf beide. Mein Sohn Laurent ist Rechtsanwalt in der Landeshauptstadt und meine Tochter Sabine, die unser Modegeschäft führt, ist Betriebswirtin des Handwerks und Einzelhandelskauffrau.

Was würden Sie einem jungen Menschen empfehlen, der sich selbständig machen möchte?

Fleißig sein, nicht auf die Uhr schauen, vor allem das gesteckte Ziel konsequent zu verfolgen und zu versuchen, immer ein bißchen besser zu sein, als die anderen.

Ist es eigentlich verwerflich, zu wissen, daß man besser ist als andere?

Nein, das stärkt sogar das Selbstbewußtsein, obwohl wir damit in Deutschland eher ein Problem haben, weil hier mehr geneidet als beneidet wird. Aber darüber sollte man stehen.

Kommen wir zu Ihrer Person. Was ist für Sie der höchste Genuß?

Kunst, Kultur und gutes Essen.

Wie wichtig ist Ihnen Geld?

Geld ist nicht alles, aber es ist auch für mich notwendig. Zum einen, damit ich meinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen kann, zum anderen, daß meine Familie und ich unser Auskommen haben. Reichtümer wollte ich allerdings nie anhäufen.

Welchen Luxus leisten Sie sich, den Sie sich gar nicht leisten können?

Meine ganzen Aufgaben außerhalb des Unternehmens und der Familie.

Was war denn das schönste Geschenk, daß Sie jemals bekommen haben?

Mein schönstes Geschenk habe ich gerade vor vier Wochen bekommen - mein Enkelkind Lucas.

Angenommen, Ihr Haus würde brennen, und Sie könnten nur ein einziges Stück retten: Was würden Sie denn in der Eile mitnehmen?

Das würde ich wohl spontan entscheiden, ich denke, es wären sicherlich Dinge, die unwiderbringlich sind, wie Fotos oder Tonbänder meiner Eltern.

Welcher Beruf wäre für Sie noch interessant gewesen?

Ich wäre auch gerne Apothekerin geworden.

Würden Sie eine Biographie schreiben?

Nein, wenn ich die Zeit dazu hätte, würde ich lieber meine vielen Bilder sortieren und archivieren. Obwohl, das wäre ja auch eine Art Biographie, vielleicht sogar eine wesentlich lebendigere.

Was ist für Sie der Sinn des Lebens?

Meine Familie und die innere Zufriedenheit.

Womit kann man Sie verführen?

Mit einem guten Essen, italienisch vielleicht oder auch chinesisch.

Haben Sie im Leben jemals versagt?

Es tut mir leid, ich bin wirklich nicht eingebildet, aber ich wüßte nicht, wo ich irgendwo in meinem Leben bewußt versagt hätte.

Welchen Hobbys gehen Sie nach?

Fotografieren, Musik hören - Klassik, Oper, Musical - Bergwandern, Malen und Kochen. Leider habe ich wirklich nur ganz wenige Tage im Jahr, an denen ich mich dieser Hobbys widmen kann.

Zum Schluß beginnen wir noch einige Sätze, die Sie bitte zu Ende führen wollen: Keiner weiß, daß ich...

...in den nächsten Jahren sicherlich alle meine Ämter aufgeben werde.

Mein Unternehmen bedeutet mir...

sehr viel.

Ich wäre gerne mal für einen Tag...

...wieder im Hochgebirge.

Reich ist, wer ...

...zufrieden ist.

Auf meinem Wunschzettel ganz oben steht...

...mehr Zeit für mich selber.

Bei »McDonald’s« bestelle ich immer...

...gar nichts, weil ich dort nicht hingehe.

Ein Unternehmer der nicht auf volles Risiko setzt...

...ist kein echter Unternehmer, weil Unternehmen und Risiko einfach zusammengehören.

Mein größtes Laster ist...

...ab und an ein Glas Rotwein. Schreiben sie aber lieber Schokolade, die mag ich auch sehr gerne, hört sich aber besser an, oder?

Ungehalten reagiere ich darauf ...

...wenn mir jemand widerspricht und ich ganz genau weiß, daß ich wirklich im Recht bin.

Interviews finde ich...

...nicht so gut, aber sie müssen wohl sein.

Frau Westermeyr, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und wünschen Ihnen für die Zukunft weiterhin viel Erfolg.

     
 © 2012 RALF HANSEN STADTBROSCHÜRENVERLAG