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CHRISTOPH VORDERHUBER

Architekt

Edition: Rosenheim 2011

 
   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

Architektur Philosophie
Der Rosenheimer Architekt Christoph Vorderhuber spricht hier über seine persönlichen ­Berufserfahrungen und zeigt einen Weg auf zur sinnvollen und nachhaltigen Zukunft des Bauens

 

Herr Vorderhuber, fangen wir klein an: bitte Ihr Kurzprofil
Ich bin in Altötting geboren und zur Schule gegangen. Nach dem Hauptschulabschluss absolvierte ich zunächst eine Kochlehre und zwei Gesellenjahre, anschließend folgte meine Wehrdienstzeit. Da ich mich beruflich noch einmal neu orientieren wollte, holte ich anschließend die Mittlere Reife nach und machte auf der FOS für Gestaltung in Straubing das Fachabitur. Erst das Innenarchitekturstudium führte mich dann nach Rosenheim und da ich mich inzwischen mehr für Architektur interessierte, absolvierte ich noch ein Architekturstudium in München. Kurz nach dem Studium konnte ich mich in Rosenheim bereits mit kleinen, eigenen Projekten selbständig machen.
Wo liegen die Schwerpunkte Ihrer Tätigkeit?
Meine bisherige Tätigkeit bezieht sich fast ausschließlich auf Aufträge privater Bauherren, wobei die Schwerpunkt im Einfamilienhaus-, Wohnungs- und Gewerbebau und natürlich der dazugehörigen Innenausstattungen liegen.
Ihr erklärtes Ziel?
...liegt schon darin, dem jeweiligen Bauherrn die optimale architektonische Lösung zu präsentieren.
Gibt es aus Ihrer beruflichen Sicht bereits Reaktionen auf den Klimawandel?
Als erstes fällt mir auf, dass schon seit Jahren keiner meiner Bauherren mehr eine Ölheizung einbauen möchte, was ich nur empfehlen und unterstützen kann. Das Bewusstsein für die Nutzung von alternativen Energiequellen ist erheblich gestiegen und gute Wärmedämmung bei Neubauten ist nach den neuen Wärmeschutzrichtlinien Pflicht. Das Energiesparen ist inzwischen ziemlich im Trend. Mehr Fingerspitzengefühl wünsche ich mir aber bei der energetischen Sanierung alter Gebäude. Hier wird vieles falsch gemacht.
Was halten Sie für die größten Bausünden in dieser Stadt?
Gehen wir mal nicht von dieser Stadt aus, sondern sehen wir das Thema etwas globaler. Bausünden sind für mich all jene verpassten Chancen, die Allgemeinheit nicht mit banaler Architektur zu konfrontieren. Gebäude kann man nicht verstecken wie ein misslungenes Gemälde. Es ist da und wirkt auf den Menschen negativ oder - im besten Fall - sogar positiv. Dass oftmals in die Planung nichts mehr investiert wird, ist aus meiner Sicht fatal.
Was müsste in Rosenheim noch verbessert werden?
Durch die Landesgartenschau ist in den letzten Jahren sehr viel geschehen, von dem die Stadt nur profitieren kann. Ob es positiv weiter gehen wird, werden zum Beispiel die gerade zu überplanenden Areale am Mühlbachbogen sowie die Gestaltung rund um den Bahnhof zeigen. Schlimm wäre es, die Planung und Verwirklichung zu sehr den profitgelenkten Investoren zu überlassen.
Würden Sie sagen, dass Sie mit Ihren Projekten Einfluss auf die Stadtentwicklung nehmen?
Davon abgesehen, dass jedes noch so kleine Projekt irgendwie zur Veränderung eines Stadtbildes beiträgt, bin ich doch der Meinung, dass ich mit meinen kleineren Projekten so gut wie keinen bedeutenden Einfluss auf die Stadtentwicklung habe. Der liegt dann schon eher in den Händen der wenigen Architekturbüros, die zu den städtebaulichen Wettbewerben geladen sind - und natürlich bei den Investoren. Inzwischen ist es auch immer schwieriger geworden, gute Planung und finanzielle Interessen unter einen Hut zu bringen, besonders im teuren Innenstadtbereich.
Bereuen sie selbst eines Ihrer Bauvorhaben?
Nein. Bisher kann ich alle meine Projekte guten Gewissens vertreten, auch wenn einige darunter sind, die nicht immer positive Resonanzen ausgelöst haben. Gebäude entstehen immer mit einer Vielzahl von Vorgaben und Einflüssen, von denen der Kritiker nichts ahnt. Dies gilt insbesondere für den Gewerbebereich, wo mit anderen Maßstäben gerechnet wird. Wichtig ist, dass man diese Kritiken nicht ignoriert, sondern dass man versucht, die Erfahrungen in künftige Projekte einfließen zu lassen.
Wer seinen Traum vom eigenen Haus realisieren möchte, sollte wie vorgehen?
Wichtig ist, sich einen Planer zu suchen bei dem der Bauherr das Gefühl hat, gut aufgehoben zu sein - die Chemie sollte stimmen. Man könnte sich gegebenenfalls auch gleich die von ihm geplanten Häuser zeigen lassen. Das Wichtigste aber ist, nicht schon bei der Planung des Hauses zu sparen. Eine guter Entwurf ist langfristig gesehen immer sein Geld wert. Auch die Wertbeständigkeit ist wesentlich höher.
Und schon bei der Planung zu sparen bedeutet für Sie?
... dass der Bauherr am falschen Ende zu sparen angefangen hat. Hier werden die Weichen für die oftmals teuerste und langfristigste Investition im Leben eines Bauherrn gestellt. Sollte man hier wirklich sparen?
Ein Wort zu den Handwerksbetrieben der Stadt. Finden sie hier die Kompetenzen, die Sie zur Umsetzung Ihrer Ideen benötigen?
In der Regel habe ich nur positive Erfahrungen mit den hier beheimateten Unternehmen, sei es mit Firmen aus Rosenheim oder der Umgebung. Es kann sich auch kein renommierter Betrieb leisten, schlechte Arbeit abzuliefern. Fehler beruhen oftmals eher auf mangelnde Absprache oder keiner, beziehungsweise schlechter Planung. Bei den meisten Handwerksbetrieben kann man hochwertige Arbeit erwarten. Die Kommunikation ist dabei oft ausschlaggebend.
Bauen Sie gern in Rosenheim?
Sagen wir es so: Ich würde gern mehr im Innenbereich der Stadt bauen.
Welches Gebäude würden Sie denn gern als nächstes bauen?
Eines an einem tollen Ort, gerne Hanglage, wo ich mal alle gestalterischen Freiheiten hätte und ausnahmsweise nicht auf die Kosten achten müsste. Aber ich denke, das ist wohl der Traum eines jeden Architekten.
Die Architektur hängt oft mit finanziellen und wirtschaftlichen Aspekten zusammen. Ärgert Sie das?
Ja und Nein. Es ärgert mich zwar, wenn Bauherrn mit völlig unrealistischen Kostenvorstellungen kommen, aber ich finde es dann auch wieder sehr spannend, sich zusammen mit ihnen kostengünstige, aber sinnvolle und schöne Lösungen zu erarbeiten.
Sind sie manchmal froh, dass nicht jeder der bei Ihnen reinkommt, als Kunde wieder rausgeht?
Wenn ich jetzt „Nein“ sagen würde, müsste ich lügen. Aber ich denke, dass jeder der einen Sinn für das Schöne hat, dafür Verständnis zeigt.
Kann man sich das Bauen ­eigentlich noch leisten?
Da sprechen sie einen wichtigen Punkt an. Mein Vater konnte als einfacher Angestellter und Allein-Verdiener unserer, einschließlich der Großmutter, siebenköpfigen Familie ein Haus bauen. Ich denke, das ist inzwischen, zumindest in unserer Gegend, nicht mehr möglich, insbesondere wenn das Einheimischenmodell demnächst durch die EU gekippt wird. Baugrund und das Bauen an sich, mit seinen ganzen Nebenkosten, technischen und energetischen Anforderungen, ist im Laufe der Zeit immer kostspieliger geworden. Eine Lösung des Problems sind zum Beispiel Wohnprojekte im Bauherrenmodell. Das sind Bauherrengemeinschaften, die sich zusammenschließen und gemeinsam eine größere Immobilie bauen, zum Beispiel Reihen- oder Mehrfamilienhäuser. Auch kostengünstige Individualhäuser sind möglich, die benötigen aber eine optimale Planung und flexible Bauherrn.
Welches war Ihr spektakulärstes Projekt?
Vielleicht nicht spektakulär, aber durchaus spannend war es, unser eigenes Haus zu planen. Wir haben dabei so viel als möglich selbst gebaut.
Wer sind Ihre Auftraggeber?
Wie gesagt, ich plane überwiegend für Bauherrn im privaten Wohnungsbau und auch im Gewerbebereich. Oft sind es junge Familien, die sich ihr erstes Haus planen lassen, aber auch ältere Bauherrn, die sich verkleinern oder ihren Altersruhesitz verwirklichen möchten. Während diese Auftraggeber in der Regel über Empfehlungen kommen, muss man im Bereich der Gewerbeobjekte schon die Augen und Ohren offen halten, um rechtzeitig akquirieren zu können.
Kommen wir zum Thema „Verantwortung des Bauherrn und des Planers“. 
Ein sehr komplexes Thema, das vielseitig zu beantworten ist. Da gibt es die allgemeinen rechtlichen und finanziellen Verantwortungen, aber auf die möchte ich gar nicht näher eingehen, sondern auf die Verantwortung, energetisch sinnvolle und gestalterisch hochwertige Gebäude zu errichten. Hier liegt sie bei beiden: Beim Architekten, der im besten Fall ein günstiges, in all den Aspekten optimales Bauwerk entwerfen, planen und umzusetzen soll, und natürlich beim Bauherrn, der seine Vorgaben und Wünsche mit seinen finanziellen Möglichkeiten abstimmen sollte.
Wenn es um die Zukunft der Architekten geht, mischen sich seit geraumer Zeit Negativprognosen mit Formulierungen von Existenzängsten. Haben Sie berufliche Zukunftsängste?
Nein, ich bin ein positiver Mensch. Ich mache mir mal mehr, mal weniger Sorgen - je nach Auftragslage. Dass es in naher Zukunft viele Architekturbüros nicht mehr geben wird, ist bekannt. Pauschalanbieter, Fertighaushersteller und die Berührungsängste der „kleinen“ Bauherrn mit den Architekten allgemein, sind Gründe dafür. Das Bild des Architekten in der Öffentlichkeit ist leider auch nicht unbedingt das Beste. Daran müssen wir alle arbeiten.
Gibt es auch Beratung beim Thema Innenarchitektur?
Innenarchitektur ist für mich untrennbar mit Architektur verbunden. Durch mein Innenarchitekturstudium plane ich die Gebäude grundsätzlich von Innen heraus. Damit meine ich nicht die Einrichtung, sondern die optimale Raumaufteilung, Belichtung und den erlebbaren Raumeindruck. Natürlich entwerfe ich auch auf Wunsch gern die Einrichtung mit dazu. Im besten Fall ist noch ein Landschaftsarchitekt involviert, der die Außenanlagen gestaltet. Der Garten gehört zum Gebäude wie die Einrichtung. Alles zusammen sollte harmonieren.
Wie gestalten Menschen, deren Beruf es ist, für Andere Raum zu schaffen, ihre eigenen Refugien? Wo und wie wohnen Sie?
Wir haben vor kurzem unser Einfamilienhaus in einer Neubausiedlung gebaut. Klar, es schaut etwas anders aus als die Nachbarhäuser, aber es ist natürlich kein futuristisches Gebilde, das sich nicht einordnet. Es ist ein Holzhaus mit Holzheizung. Mit fünf Ster Holz im Jahr kommen wir gut aus, den Rest übernimmt im Sommer die Solaranlage.
Was halten Sie vom Begriff „Stararchitekt“?
Es ist gut, dass es einige gibt. Sie bringen das Thema Architektur in die Öffentlichkeit. Wichtiger wäre es aber meiner Meinung nach, wenn Architektur nicht nur durch Stars definiert wird, sondern auch durch die vielen schönen Architekturbeispiele in unserer Region. Das Thema Architektur und Gestaltung müsste in der Öffentlichkeit allgemein wichtiger genommen werden. Architektur ist prägender Teil unser Kultur und sollte darum schon in den Schulen gelehrt und in den Medien wesentlich mehr präsent sein und diskutiert werden.
Bedienen Sie sich bei Ihrer ­Tätigkeit eines Netzwerkes?
Ja, als selbständiger Architekt ist man sogar auf ein Netzwerk angewiesen. Gerade bei meinem derzeitigen Projekt, ein ­größeres Gewerbeobjekt, ist es für mich notwendig, mit Kollegen zusammenzuarbeiten. Außerdem bin ich Mitglied beim „RosenheimKreis e. V.“, einem Verein der sich zum Ziel gesetzt hat, Architektur wieder mehr ins Gespräch zu bringen. Wir organisieren Wettbewerbe wie den „Rosenheimer Holzbaupreis“, unternehmen so genannte „Häuserfahrten“ für Bauinteressierte und haben einen Architekturführer für Rosenheim herausgegeben. Außerdem gibt es noch das Projekt „Architektur macht Schule“. Hier betreuen einige Kollegen zusammen mit Lehrern architekturbezogene Projekte für Schüler.
Wie sieht die Stadt der Zukunft aus?
Hoffentlich menschenfreundlichter und energiebewusster als die Megacities von heute.
Hat sich das Aufgabenfeld in den letzten Jahren verändert?
Ja, immer mehr Planungen werden nach Entwurf und Genehmigungsplanung an einem Generalunternehmer übergeben. Das ist bitter für mich, da man als Planer keinen und der Bauherr nur noch bedingt Gestaltungseinfluss bei der Ausführung hat. Außerdem ist durch das veränderte Energiebewusstsein eine wesentlich umfangreichere Beratung der Bauherrn gefordert.
Wem gehört die Stadt?
Den Menschen, die darin wohnen. Darum sollte sie auch wohnlich bleiben.
Glauben Sie nicht, dass das ein Wunschdenken ist? Sie wissen doch selbst am besten, dass überall dort, wo der Profit lockt, die großen Investoren das Sagen haben.
Sicher ist das Wunschdenken. Früher wurden die Städte kleinteilig beplant und bebaut. Das sieht man an den alten, gewachsenen Innenstädten. Heute werden große Areale überplant und an Investoren übergeben, die diese Flächen innerhalb kürzester Zeit bebauen. Natürlich spielt hier Geld die große Rolle. Ganze Stadtbezirke verändern sich auf diese Weise. Beispiel Altstadt Ost in Rosenheim: Ursprünglich ein günstiges Handwerkerviertel, wird es seit einiger Zeit immer mehr aufgewertet, was ja durchaus positiv ist. Sollte nun aber der Mühlbachbogen, ein ehemaliges Gartenschaugelände, mit teuren Eigentumswohnungen bebaut werden, wird sich die Einkommensstruktur des Gebietes verändern. Eine weitere Aufwertung wäre die Folge, deren Ergebnis es sein wird, dass Kleinverdiener und Handwerksbetriebe an den Stadtrand gedrängt werden. Ändern lässt sich das allerdings kaum.
Was fällt Ihnen zum Schlagwort „Nachhaltigkeit“ ein? 
Das ist ein abendfüllendes Thema. Um nachhaltig bauen zu können, sollte man auch nachhaltig planen. Alles andere macht keinen Sinn. Das fängt beim Gebäudeentwurf an und setzt sich bei der energie- und umweltbewussten Planung fort. Letztlich bedeutet es, ob man ein Gebäude langfristig unter verschiedenen Bedingungen sinnvoll nutzen kann und dabei noch umweltfreundlich ist. Ein gutes Beispiel dafür ist das Einfamilienhaus, bei dem sich die Frage stellt, ob es sich in unterschiedlichen familiären Konstellationen gut bewohnen lässt. Steht das Thema Mehrgenerationenhaus zur Debatte, stellt sich die Frage, ob man das Haus einfach um-, aus- oder gar rückbauen kann. Auch die Wertbeständigkeit ist wesentlich höher. Das alles wird schon in der Entwurfsplanung festgelegt.
Gibt es Heimwerker-Qualitäten?
Sicher, als Architekt sollte man nicht nur über theoretisches Wissen verfügen. Mein Traum wäre es, irgendwann ein kleines Ruhestandshaus allein zu bauen, natürlich ohne die üblichen Bauauflagen.
Herr Vorderhuber, besten Dank für das interessante Gespräch.

     
 © 2012 RALF HANSEN STADTBROSCHÜRENVERLAG