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HERMANN TISCHLER

Bankvorstand
Edition:
  Waldkraiburg 1997

 
   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

Seit dem 1. Oktober ´76 steht er in Diensten der Raiffeisenbank Waldkraiburg-Heldenstein eG., deren Vorstandsvorsitzender er nun schon seit 1985 ist. Der Finanzmarktspezialist ist darüberhinaus noch mit Leib und Seele Stadtrat, Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft der Einkaufsstadt Waldkraiburg und bekleidet außerdem mit großem Engagement zahlreiche Ehrenämter. Die STADTBROSCHÜRE unterhielt sich ausführlich mit Hermann Tischler.

 

Mit rund 60 Arbeits- und Ausbildungsplätzen in der Hauptstelle und in den drei Zweigstellen gehört die Raiffeisenbank Waldkraiburg-Heldenstein eG zu den bedeutendsten Geldinstituten in dieser Region. Gibt es etwas, das Sie ändern würden, damit dies auch in Zukunft so bleibt?

Wir erweitern zur Zeit unsere Hauptstelle in der Prager Straße, um sie nach den neuesten Erkenntnissen und Notwendigkeiten für die Zukunft auszurüsten. Wir errichten einen Anbau mit circa 420 m², werden Gesichtspunkten umorganisieren, um sie noch mehr auf die Bedürfnisse unserer Kunden auszurichten.

Können Sie sich noch an Ihren ersten Arbeitstag hier erinnern?

Das war der 1. Oktober 1976.

Sie gehören seit rund 21 Jahren dem Vorstand an, sind seit 1985 Vorstandsvorsitzender. Welche Abteilungen leiten Sie in diesem Hause und wie lautet Ihre Erfolgsphilosophie?

Als Vorstand bin ich hauptsächlich zuständig für die Ressorts Kreditgeschäft, Personalwesen, Betriebsorganisation und Öffentlichkeitsarbeit. Meine Erfolgsphilosophie lautet: Mitarbeiter einbinden in die Entscheidungsprozesse, im Team die Probleme angehen, durch Sachargumente überzeugen.

Welche Voraussetzungen muß ein Bankvorstand erfüllen?

Er muß eine fundierte Ausbildung vorweisen, um die fachlichen Voraussetzungen nach dem Kreditwesengesetz erfüllen zu können, muß über eine entsprechende Berufserfahrung verfügen, solide und belastbar sein, vor allem auch Streß aushalten können - und er muß Führungsqualitäten besitzen.

Können Sie uns Ihren persönlichen Werdegang schildern?

Meine Ausbildung zum Bankkaufmann erhielt ich in der Raiffeisenbank Passau, wo ich dann später auch als Zweigstellenleiter tätig war. 1969 wechselte ich zum Bayerischen Raiffeisenverband, absolvierte dort eine Prüferausbildung und war von 1972 bis 1976 als Verbandsprüfer im Prüfungsbezirk Passau eingesetzt. Bei dieser Tätigkeit habe ich wichtige Erfahrungen sammeln können, die mir dann auch bei der Übernahme dieser Vorstandsposition hier in Waldkraiburg sehr weitergeholfen haben. Es ist sehr wertvoll, wenn man auch andere Betriebe kennengelernt und verschiedene Arbeitsweisen miterlebt hat.

Werden Leute von Ihrem Verstand oder Ihrem Vorstandstitel eingeschüchtert?

Ich bin keineswegs darauf bedacht, daß man mich mit »Herr Direktor« anspricht. Der Titel steht weder auf dem Türschild noch auf meinem Briefpapier. Außerdem muß der Kunde bei mir nicht erst durch zwei Vorzimmer gehen, bis er mich erreichen kann. Ich bin auch räumlich in das betriebliche Geschehen unserer Bank eingebunden. Ich baue nicht durch einen Titel oder sonstige Bezeichnung eine Hürde auf. Im Gegenteil, ich möchte für die Wünsche meiner Kunden und die Probleme meiner Mitarbeiter offen und zugänglich sein.

Was unterscheidet Ihre Bank von den anderen?

Es gibt wesentliche Unterschiede, die in der Philosophie unserer Genossenschaftsbanden begründet sind. Unsere Kunden sind häufig auch gleichzeitig als Mitglieder Teilhaber des Unternehmens. Das heißt, wir richten uns auf die örtlichen Geschäftsfelder aus, sind im Dienste unserer Kunden und Mitglieder tätig, sind dezentral strukturiert, haben kein Filialsystem und sind eine gegenständige Bank, die ihre Prozesse selbst steuert. Wir sind vor Ort in jeder Konsequenz entscheidungsbefugt, planen die geschäftspolitische Strategie und stellen unser Personal selbst ein. Alle anderen Banken am Ort sind Zweigstellen. Das bringt uns und unseren Kunden natürlich ganz praktische Vorteile, weil Entscheidungen nicht am »grünen Tisch« einer fernen Befehlszentrale in Rosenheim, München oder Frankfurt gefällt werden.

Gab es auch mal Niederlagen? Erinnern Sie sich doch mal an den Fall, der Ihrer Bank das meiste Geld gekostet hat, wo sie mal wirklich so richtig draufgezahlt haben.

Natürlich gibt es im Kreditgeschäft auch mal Ausfälle, wie bei allen anderen Geschäften auch. Eine Bank ist doch mit den selben Risiken behaftet, wie jedes andere Unternehmen. Sie werden allerdings Verständnis dafür zeigen, daß ich Ihnen hier keine konkreten Beispiele nennen kann. Grundsätzlich kann ich Ihnen sagen, daß wir bisher durch eine solide Geschäftspolitik Kreditrisiken auf ein Mindestmaß beschränken konnten und daß zu keiner Zeit ein Nachteil oder Schaden für unsere Mitglieder und Kunden entstanden ist.

Hat sich das Verhalten der Geldanleger im Laufe der Jahre geändert, sind sie heute risikofreudiger, oder eher umgekehrt?

Wir sehen im Anlageverhalten unserer Kunden ein zunehmendes Renditebewußtsein, verbunden mit einer Minimierung des Risikos. Das heißt, der Kunde verlangt zwar noch Anlagemöglichkeiten, die einen lukrativen Zins bieten, aber dennoch sicher sind. Das Interesse danach entsteht zunehmend zum einen aufgrund wachsender Medieninformationen, zum anderen auch durch die qualifizierte Beratung, die wir hier anbieten. Das hat sicher dazu beigetragen, daß die Ansprüche unserer Kunden auf relativ hohem Niveau basieren und uns herausfordern, Produktentwicklung zubetrieben, die diesen Vorstellungen entspricht.

Wann werden die Volks- und Raiffeisenbanken ihre Eigenständigkeit aufgeben und sich auf höherer Ebene zusammenschließen?

Die strukturellen Vorteile der eingangs erwähnten Eigenständigkeit lassen einen Zusammenschluß gar nicht erstrebenswert erscheinen. Gleichwohl wird es weiterhin einen Konzentrationsprozeß geben, der sich daran orientiert, leistungsfähige Betrieseinheiten zu erreichen, Größenordnungen zu schaffen, die sich am Markt gut behaupten können und die optimiert sind in der Kosten- und Nutzen-Relation.

Die Werbung um neue Kunden hat sich in den letzten Jahren sicherlich auch verändert. Wie lenken Sie die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf die Vorzüge Ihrer Bank?

In dem wir auf die Besonderheiten unserer Bank hinweisen. Zum einen ist das die Ortsbezogenheit, zum anderen ist es die persönliche Komponente mit dem Bemühen um unsere Kunden und deren persönliche Betreuung. Wie gesagt, wir treffen hier vor Ort alle Entscheidungen, das bringt Vorteile für den Kunden in Bezug auf Individualität und Schnelligkeit. Außerdem hat er die Möglichkeit, als Mitglied über die Gremien Generalversammlung oder Aufsichtsrat auf die Gestaltung der Geschäftspolitik Einfluß zu nehmen. Die genossenschaftliche Idee der Selbsthilfe und Selbstverantwortung baut auf Tradition auf und ist heute so modern, wie eh und je.

Können Sie ein paar Zahlen nennen, die uns die Marktpräsenz Ihrer Bank verdeutlichen?

Unser Bilanzvolumen liegt mittlerweile bei rund 300 Millionen Mark, davon wurde der größte Teil in Form von Krediten, nämlich 230 Millionen, ausgeliehen. Eine etwa gleichhohe Summe haben wir auch im Einlagenbereich zu verzeichnen. Wir verwalten etwa 27.000 Kundenkonten und haben zur Zeit knapp 4.000 Bankteilhaber durch Mitgliedschaft.

Vor dem Hintergrund einer allgemeinen pessimistischen Grundstimmung hieß die Parole vieler deutscher Unternehmen im abgelaufenen Geschäftsjahr 1996 Konsolidieren und Umsatz halten. Trifft das auch für Ihre Bank zu?

Wir konnten auch im letzten Jahr erfreuliche Zuwachsraten verzeichnen, das Kreditgeschäft hat sich um eine zweistellige Prozentzahl erhöht, ebenso das Einlagengeschäft. Insofern trifft diese Aussage auf unsere Bank nicht zu.

Kranken Firmen deshalb so oft, weil die allgemeine Zahlungsmorale derzeit so miserabel ist?

Die ist in der Tat beklagenswert. Ich bin allerdings der Meinung, daß sie nur ein Punkt in der Palette von Gründen ist, wenn wirtschaftliche Probleme auftreten. Leider liegt die tiefere Ursache häufig im Management. Gegen die schlechte Zahlungsmoral hilft ein konsequentes Mahnverfahren, das aber gerade bei kleinen Handwerksbetrieben sehr oft vernachlässigt wird, weil dazu zu wenig Zeit verwendet wird.

Als Bankdirektor sind Sie  mit 250.000 DM jährlich, netto versteht sich, sicherlich bestens bezahlt, oder?

Die Summe stimmt natürlich nicht...

... ist es doch noch etwas mehr?

Nein, natürlich sehr viel weniger. Ich bezeichne mein Gehalt als leistungsgerechte Bezahlung. Dabei trage ich eine hohe Verantwortung gegenüber meinem Arbeitgeber für den geschäftlichen Erfolg. Ich vertrete meine Bank auch nach außen hin, habe nicht nur einen Acht-Stunden-Tag zu leisten, sondern muß auch nach Dienstschluß sehr oft Termine wahrnehmen.

Was tun Sie mit Ihrem Geld, um Spaß zu haben?

Ich habe zum Beispiel vor einiger Zeit einen Wintergarten an unser Haus gebaut, der mir und meiner Familie sehr viel Freude bereitet und unsere Lebensqualität verbessert. Das ist für mich sehr wichtig.

Wie würden Sie Reichtum definieren?

Reichtum ist sicherlich nicht eine Frage des Geldes. Es sind andere Werte, die mit dem Herzen zu tun haben, sicherlich nicht mit Geld.

Was raten Sie Ihren Kunden, die über 5.000 bis 10.000 DM Anlagevermögen verfügen.

Wenn sonst kein Vermögen vorhanden ist, dann gehören sie auf ein Sparbuch, um für eine Reserve zu sorgen. Wenn diese Summe allerdings frei verfügbar ist, würde ich Sparbriefe oder Wachstumszertifikate empfehlen.

Und denen, die ein- bis zweistellige Millionenvermögen anlegen wollen?

Da ist es sicher angebracht, eine Anlagestrategie aufzubauen. Ich empfehle hier in jedem Fall auch die Immobilienanlage miteinzubeziehen, Aktienwerte, Sondersparformen, festverzinsliche Wertpapiere, aber auch die Risikorücklage nicht zu vergessen, die eine schnelle Verfügbarkeit des Geldes ermöglicht. 

Was sind denn Ihre persönlichen Aktienfavoriten 1997?

Wenn wir uns auf die Branchen konzentrieren, die wir als zukunftsträchtig einschätzen, dann dürfen es 1997 die Automobilwerte sein, Aktien des Maschinenbaues, der Telekommunikation und der EDV.

Wie lange, glauben Sie, sind die Zinsen noch so niedrig?

Tischler: Die Niedrigzinsphase währt eigentlich schon überraschend lange. Man hat ja schon im zweiten Halbjahr ´96 erwartet, die Zinsen würden wieder steigen, aber das ist nicht eingetreten. Ich denke aber doch, daß man in den nächsten ein bis zwei Jahren mit steigenden Zinsen rechnen muß.

Angst vor dem Euro?

Keineswegs, wenn man bedenkt, daß die gemeinsame Währung ja auch Vorteile bringen wird, zum Beispiel für die Exportwirtschaft und für die Sicherheit von Arbeitsplätzen. Wichtig ist, zu erkennen, daß die Einführung des Euro keine Währungsreform bedeutet, sondern lediglich eine andere Recheneinheit bringt.

Sollten die Politiker die Währungsunion angesichts der derzeitigen Probleme nicht besser verschieben oder am besten ganz fallen lassen? Italien, Großbritannien und andere Länder bleiben nach derzeitigem Stand draußen vor der Tür. Neuesten Berechnungen nach schafft es nicht einmal die Bundesrepublik, die von ihr selbst geforderten Mindestanforderungen einzuhalten.

Ich bin der Meinung, daß es nicht sehr viel Sinn bringt, den Termin 1. 1. 1999 zu verschieben. Die Vorbereitungen sind zu weit fortgeschritten.

Haben Sie selbst Ihr Vermögen schon Euro-sicher umgeschichtet?

Ich habe mein Vermögen in Immobilienbesitz angelegt, in Form eines eigenen Hauses. Da gibt es nichts mehr umzuschichten.

Wem würden Sie kein Geld anvertrauen, auch wenn der Profit noch so groß wäre?

Wo große Profite in Aussicht gestellt werden, ist auch die Frage nach dem Risiko zu stellen. Wenn Ihnen heute in der Niedrigzinsphase jemand eine Geldanlage empfiehlt, die mehr als 10 Prozent verspricht, dann müssen Sie auch in Kauf nehmen, bei dieser Anlage Ihr Geld ganz oder teilweise zu verlieren.

Ein Blick in die persönliche Zukunft: Wie lange planen Sie, ihre Tätigkeit noch auszuüben?

Ich habe meinen Dienstvertrag, und der ist auf das 65. Lebensjahr ausgerichtet. Bis zu dieser Zeit habe ich jedenfalls vor, für meine Bank tätig zu sein und mein Bestes zu geben.

Sie werden in diesem Jahr 53, haben Sie irgendeine Beziehung dazu?

Es sind fast 53 Jahre, daß wir in Frieden und Freiheit leben können.

Sie sind auch Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Einkaufsstadt Waldkraiburg e.V. Welche Aufgaben hat sich dieser Verein vorgenommen, welche Ziele sollen erreicht werden?

Wir wollen weiter daran arbeiten, die Lebensqualität in unserer Stadt zu verbessern, unsere Position als Einkaufsstadt zu stärken, das Angebot sowohl in der Tiefe als auch in der Breite zu vervollständigen. Der Fachhandel muß seine spezifischen Stärken, die in der persönlichen Beratung und im Service liegen, noch besser vom großen Kaufhausangebot abheben.

Und welchen Traum würden Sie sich persönlich gerne erfüllen?

Mit meiner Familie zusammen eine Weltreise machen. 

Wenn Sie zum Geburtstag ein Glückwunschtelegramm bekämen, wessen Namen würden Sie am liebsten darunter sehren? den von Helmut Kohl, vom Papst, von Nelson Mandela oder Andre Kostolany?

Von Helmut Kohl.

Mal ehrlich, gibt es jemanden, dem Sie mal eins auswischen möchten?

ja, aber ich verrate nicht, wer es ist.

Widersprechen Ihnen Ihre Angestellten, wenn es sein muß?

Es gehört zu unserem Führungsstil, daß wir unsere Mitarbeiter mit in die Verantwortung und Entscheidungsprozesse einbeziehen. Da muß man auch Kritik ernstnehmen.

Sind Sie schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten?

Außer einem Bußgeld wegen einer Geschwindigkeitsübertretung, nicht.

Haben Sie eine Meinung dazu, was »danach« kommt?

Ich bin evangelischer Christ und für mich gibt es auch ein Leben »danach«.

Was ist für Sie der Sinn des Lebens?

Meine Aufgaben zu erfüllen, mein Leben so zu leben, daß ich...

Darf ich mal unterbrechen? Gibt es auch irgendetwas, was nicht perfekt an Ihnen ist? Wann haben Sie denn zuletzt einen draufgemacht?

Oh Gott, ich weiß nicht mehr, wann das war.

Akzeptiert? Zum Schluß beginnen wir aber noch einige Sätze, die Sie bitte zu Ende führen wollen: Wenn ich heute könnte wie ich sollte, würde ich...

... mir etwas mehr Freizeit gönnen.

Meine Bank bedeutet mir...

... berufliche Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeit und wirtschaftliche Existenzgrundlage.

Wenn ich nicht in Waldkraiburg wohnen müßte, dann würde ich...

... gerne wieder in Passau wohnen. 

Einen Seitensprung würde ich...

... nicht machen.

Geld bedeutet mir...

... eine gewisse Sicherheit, aber nicht alles.

Ich bin neidisch auf...

... die Fähigkeiten von Menschen, die künstlerisch begabt sind.

Ich halte Waldkraiburgs Bürgermeister für eine...

... Persönlichkeit, die ich sehr schätze und die ihre Aufgabe sehr gut macht.

Der wichtigste Rat meiner Mutter war...

... im Leben anständig und ehrlich zu sein.

Ich finde Ihre Interview-Fragen...

... sehr gut aufeinander abgestimmt. 

Herr Tischler, wir danken Ihnen für dieses Interview.

     
 © 2012 RALF HANSEN STADTBROSCHÜRENVERLAG