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EDITH BRANDL

Sesto 
Edition: Mühldorf a. Inn 2015

   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

MODE IST MEINE WELT
Seit 1999 prägt Edith Brandl mit ihrer Fashionadresse „Sesto“ die Modewelt Mühldorfs mit. In dieser Zeit avancierte sie zur Topadresse für all die Damen, die die Begriffe „Qualität“ und ­„Aktualität“ als oberste Prämisse sehen. Eine Fachzeitschrift titelte sogar „Ein Hauch Großstadt am Stadtplatz“.

Eigentlich sollte sie Zahnarzthelferin werden, hatte den Lehrvertrag bereits in der Tasche, und die Eltern waren hochzufrieden. Der heimliche Wunsch, doch lieber etwas zu erlernen, was mit dem Begriff „Mode“ zu umschreiben ist, wurde aber immer größer, der Lehrvertrag deshalb kurzerhand gekündigt und es fiel die Wahl auf eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau. Die Rede ist von Edith Brandl, die so ihre Karriere zur Inhaberin der Modeadresse „Sesto“ begann. Grund genug für Verleger Ralf 
Hansen, sich mit ihr ausgiebig zu unterhalten.


Frau Brandl, zur Karriere von „Sesto“: Wo und wann haben Sie Ihren ersten Laden eröffnet?
Bevor ich meinen ersten eigenen Laden eröffnen konnte, musste ich schon einige andere wichtige Stationen hinter mich bringen. Schon während meiner Ausbildung im Neuöttinger Modehaus Echter wollte mir die Geschäftsführung im letzten Ausbildungsjahr die Leitung der Kindermodenabteilung anvertrauen, doch ich erhielt ein noch interessanteres Angebot: Benetton Burghausen wollte mich als Filialleiterin. So schloss ich dort meine Berufsausbildung als Leiterin der Filiale ab und blieb noch fünf Jahre, bevor ich 1993 in Mühldorf die Leitung des ersten More & More-Stores übernahm. Das neue, innovative Ladenkonzept begeisterte mich nicht minder als die Tatsache, unter 30 Bewerberinnen den Zuschlag für diese verantwortungsvolle Tätigkeit zu bekommen. Es folgten sechs aufregende Jahre, dann erwachte der Wunsch, mich mit einem eigenen Laden selbständig zu machen. 1999 konnte ich den Store kaufen, übersiedelte in einen anderen, neu renovierten Laden und war nunmehr Unternehmerin. Mein Lebensgefährte Rainer Elsberger war seinerzeit noch Katalog-Produktioner bei Sport-Scheck in München, aber schon damals unterstützte er mich in jeder freien Minute. Seine Ideen haben auch dazu beigetragen, dass wir in vielerlei Hinsicht neue Trends in Mühldorf gesetzt haben: wir hatten die erste Kaffeebar, Fernseher im Laden zeigten neue More & More-Kollektionen, aber auch trendige Mode, die wir selbst aus Italien in die Kreisstadt brachten. 2007 war es dann endlich soweit, unser erster Laden unter dem Namen „Sesto“ mit italienischen Schuhen, Taschen und Accessoires wurde zusätzlich eröffnet.
Und wer etwas Besonderes suchte, kam in diesen Laden, daran kann ich mich noch erinnern.
Richtig, mit diesem Laden machten wir uns in der ganzen Region bekannt. Wir wollten unser Konzept natürlich ausbauen, legten beide Läden zusammen und eröffneten 2009, nach einjähriger Vorbereitungszeit, unseren jetzigen Laden. Auf 300 Quadratmetern Verkaufsfläche präsentieren wir nun eine Topauswahl internationaler Modemarken.
Welche Labels präsentieren Sie Ihrer qualitätsbewussten Kundschaft?
Twin-Set, Set, Marc O’Polo Pure, Cambio, Patrizia Pepe, Drykorn, JBrand, Mabrun, IQ Berlin, Princess goes Hollywood, Rosa von Schmaus, Hale Bob – das sind wohl die wichtigsten.
Wie kamen Sie auf den Namen „Sesto“?
Der Name hat uns schon immer gefallen. „Sesto Senso“ ist der italienische Begriff für „sechster Sinn“, und der ist für unser modisches Gespür unverzichtbar.
Was hat Ihr Stilbewusstsein gefördert?
Ich war immer schon recht kreativ, habe als junges Mädchen meine eigene Kleidung selbst geschneidert und von der Mode geträumt. So hat sich im Laufe der Jahre natürlich auch ein gewisses Stilbewusstsein geprägt.
Was denken Sie, wenn Sie nach einer Ordermesse wieder auf dem Heimweg sind?
Während der Messe konzentriere ich mich auf das, was ich meinen Kundinnen anbieten möchte und kann. Ich kenne ja deren Geschmack schon sehr genau und weiß deshalb auch, was in Frage kommt und was nicht. Auf dem Heimweg plagen mich dann schon ab und an Zweifel, ob gerade diese Modelle die Richtigen sind oder nicht, ob der Trend in der nächsten Saison wirklich en vogue ist, ob ich zu viel geordert habe oder zu wenig. Das Gefühl ist bei diesen Überlegungen eigentlich immer gleich, aber Gott sei Dank hat uns unser Gefühl für das Richtige nie im Stich gelassen.
Sie führen den Laden zusammen mit Ihrem Lebensgefährten Rainer Elsberger, wie haben sie sich die Aufgaben geteilt?
Eigentlich haben wir nicht viel geteilt, das meiste machen wir zusammen. Aber wir haben unsere Schwerpunkte: Rainer kümmert sich um alles rund um das Thema Werbung, ich selbst erledige die 
Officearbeiten im Bereich der Buchführung. Ein- und Verkauf begeistert uns beide, und diesen wohl wichtigsten Part machen wir gerne gemeinsam.
Wie würden Sie das spezifische Gleichgewicht Ihrer Kollektionen beschreiben?
Bei uns findet jede Frau zwischen 20 und 80 etwas, was zu ihr passt, was sie kleidet und ihre Persönlichkeit unterstreicht. Und das in den Größen von 34 bis 44. Ich würde unsere Kollektionen als alltagstauglich, edel, sportiv und sehr gut kombinierbar bezeichnen.
Wo liegt Ihre Toleranzgrenze? Darf es auch mal gewagter sein, wenn die Kundin es wünscht?
Selbstverständlich. Meine persönliche Toleranzgrenze beginnt immer dort, wenn es anfängt „billig“ im Sinne von Auffälligkeit zu wirken. Da sollte man als verantwortungsbewusste Modeberaterin auch immer ehrlich sein und seine Meinung äußern.
Formt Mode unsere Emotionen?
Mode und Emotion sind zwei voneinander untrennbare Begriffe. Mode besitzt die Fähigkeit, unsere Gefühle und unseren Geisteszustand in einem sehr großen Ausmaß nach außen zu tragen. Wenn wir traurig sind, tragen wir automatisch etwas Dunkles und haben weder die Kraft noch das Wohlbefinden, uns extravagant, farbenfroh oder sexy anzuziehen. Unsere Lebenssituationen prägen das, was wir tragen und worin wir uns wohlfühlen. Mode kann unser Empfinden in diesen Situationen sicherlich prägen.
Worauf achtet der Kunde heute mehr? Auf die Qualität des Produktes oder auf den Preis?
Ich würde sagen, auf beides. Meine Kundinnen schätzen in der Regel die Qualität, die ihnen „Sesto“ bietet. Und wenn Qualität, Modernität und der Spirit stimmen, dann sind sie auch bereit, den entsprechenden Preis dafür zu bezahlen.
Woran erkennt man gute Qualität?
Am Stoff, an der Verarbeitung, an den liebevollen Details, am Schnitt und an der Passgenauigkeit. Das gesamte Erscheinungsbild sollte einfach gut passen. Gute Qualität ist einfach sichtbar.
Haben Sie ein Lieblings­label?
Ja. Twin-Set ist eines meiner Lieblingslabels und auch die Kleider von Hale Bob.
Sonstige Must-haves, die es hier zu kaufen gibt?
Gürtel, Schuhe, Taschen, Tücher – wir haben alles im Laden und können eine Frau schon von Kopf bis Fuß gut einkleiden.
Kommen wir zu der besonderen Problematik der Frauen bei der Businesswear. Männer haben es da vergleichsweise leicht.
Richtig. Ein Mann zieht Anzug und Krawatte an – und schon wirkt er kompetent. Die Frau hat zwar viel mehr Möglichkeiten, aber sie steht auch sehr unter Beobachtung im Hinblick auf ihre Kleidung. Für eine Frau geht es immer auch um die Frage: Wie präsentiere ich mich so, dass ich als Frau wahrgenommen, aber auch ernst genommen werde – und ohne, dass der Beautyfaktor überhandnimmt. Kompetenzausstrahlung – das ist für Frauen, die in einer Männerdomäne arbeiten, schon wichtig.
Karl Lagerfeld sagte mal, Männerkollektionen würden ihn zu Tode langweilen. Gilt das auch für Sie, und warum gibt es so wenig Fachgeschäfte für diesen Bereich?
Wenn dies so wäre, würde es ja kein Modelabel für Herren unter seinem Namen geben. Ich finde das etwas übertrieben. Männer gelten aber in der Regel als reine Bedarfskäufer, sind weniger interessiert am Thema Mode und bekannt dafür abzuwarten, bis die Ware im Ausverkauf angeboten wird. Damit kann man aber schlecht ein Geschäft führen und darum gibt es eben so wenige Herrenmode-Geschäfte.
Was können Sie als Einzelhändlerin tun, um im Mode-Segment Kompetenz zu zeigen?
Man kann beispielsweise Kompetenz über Vielfalt zeigen, also eine tolle Auswahl bieten. Aber man braucht auch, wie in meinem Fall, Mitarbeiterinnen, die modische Kompetenz ausstrahlen, sich gut auskennen und darin geschult sind, ihre Wertschätzung dem Kunden gegenüber zum Ausdruck zu bringen. Und sie müssen – gerade das ist ganz schwierig – in der Lage sein, von sich selbst Abstand zu nehmen um zu erkennen, was der anderen Person gut steht, auch wenn es vielleicht nicht der eigene Stil ist. Andererseits gehört aber auch der Mut dazu, vom Kauf abzuraten, wenn es so gar nicht passt. Ich denke, dass wir uns auf diesem schmalen Grat sehr gut bewegen, denn der Erfolg kommt nicht von ungefähr.
Sehen Sie das Internet als Bedrohung für Ihre Branche?
In Bezug auf austauschbare Einheitslooks mag das wohl zutreffen. Wer aber eine fundierte Beratung wünscht und das klassische Einkaufsvergnügen schätzt, dazu gehört für unsere Kundinnen einfach auch mal das Herumstöbern in unserem mit viel Herzblut zusammengestellten Sortiment, der tummelt sich sicherlich nicht im Internet herum. Unser Konzept sieht vor, dass wir unsere Kundinnen mit unserem Fachwissen unterstützen und auf individuelle Bedürfnisse eingehen wollen – schon weil wir geschult darin sind, auch mal das eine oder andere figürliche Problem wegzuzaubern. Glauben Sie mir, wir verstehen unseren Job, und darum macht er uns auch so viel Spaß. 
Was würden Sie demjenigen raten, der ein neues Modegeschäft eröffnen möchte?
Ich würde mal sagen: Mut, Fingerspitzengefühl, eine gute finanzielle Basis, Disziplin und den festen Willen zum Erfolg. Gerade die Mode unterliegt einem ständigen Veränderungsprozess, da darf man nicht den Anschluss verlieren. Einfach ist es nicht.
Bietet der Fachhandel heute noch die Chance, geschäftlich erfolgreich zu sein?
Es ist jedenfalls sehr viel schwieriger geworden, weil immer mehr Filialisten auf den Markt drängen. In den großen Städten kann sich doch kaum noch ein traditionelles Familienunternehmen mittlerer Größe behaupten, weil der Verdrängungswettbewerb zu groß geworden ist. Von einem kleinen Modeunternehmen ganz zu schweigen. Leider bleibt da auch die Individualität auf der Strecke. Die großen Innenstädte schauen doch alle gleich aus. Unsere Münchner Kundinnen fahren gerne nach Mühldorf, weil ihnen das ­Einkaufen hier noch Spaß bereitet.
Wie hat sich die Präsenz des schwedischen Textilhandelsunternehmen „H & M“ auf Mühldorf ausgewirkt?
Als bekannt wurde, dass sich das Unternehmen hier etablieren möchte, war die Aufmerksamkeit der Modeanbieter schon recht groß und es gab positive wie negative Meinungen. Mittlerweile ist die Aufregung um dieses Thema verflogen, die betroffenen Mitbewerber haben ihr Angebot etwas verändert. Uns hat dieses Thema eigentlich nur am Rande interessiert, da wir schon immer auf eine qualitätsbewusste Klientel gesetzt haben. 
Verraten Sie mir den Namen eines bekannten Modeschöpfers, dessen Ar­beit Sie bewundern?
Ja, gerne: Elie Saab, der libanesische Modedesigner. Sei­ne Mode steht für Haute Couture der Extraklasse und seine wundervollen Roben werden für die außergewöhnlichen Momente im Leben kreiert.
Wie kann man Sie verärgern?
Da sind wir wieder beim Thema Qualität. Viele Menschen schimpfen einerseits über den Preis einer Ware, andererseits regen sie sich aber auch auf, wenn die Ware aus Drittländern stammt, wo Löhne bezahlt werden, von denen niemand leben kann. Ich würde mich freuen, wenn die Menschen der Mode gegenüber mehr Wertschätzung entgegenbringen. Man kann eben kein hochwertiges Produkt zum Billigpreis kaufen. Wir achten sehr darauf, dass unsere Labels möglichst in Europa hergestellt werden. Es gibt einige Materialien, wie Kaschmir oder Seide, die werden direkt vor Ort in eigenen Herstellerbetrieben verarbeitet, erfahren aber auch in ihrem jeweiligen Ursprungsland einer entsprechend hohen Wertschätzung.
Wie erholen Sie sich von Ihrer Arbeit? Wo tanken Sie Kraft für neue Ideen?
Bei langen, ausgedehnten Spaziergängen mit meinem Hund „Bruce“ kann ich so richtig abschalten und mich erholen.
Ihre beste Eigenschaft?
Ehrlichkeit.
Und Ihre schlechteste?
Ich bin oft zu perfektionistisch und stehe mir so selbst im Weg.
Gibt es Wünsche?
Ein wenig mehr Freizeit wäre schon schön.
Geheiratet wird wann?
Wir sind ja schon 24 Jahre ein Paar, aber wenn es soweit ist, sagen wir Ihnen rechtzeitig Bescheid.
Frau Brandl, herzlichen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg.

     
 © 2012 RALF HANSEN STADTBROSCHÜRENVERLAG