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FELIX SCHWALLER

Bürgermeister
Edition: Bad Aibling 2002

 
   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

Felix Schwaller ist der neue Bürgermeister der Stadt Bad Aibling. Der neue Mann an der Rathausspitze ist seit vielen Jahren Mitglied des Stadtrates und hatte hier bereits die Funktion des zweiten Bürgermei- sters inne. Großer Vorteil: Hauptberuflich war der gelernte Steuerberater bisher als Niederlassungsleiter der BERATA tätig. Wie er die Zukunft der Kurstadt gestalten will, erklärt er hier in diesem Inter- view. Verleger Ralf Hansen unterhielt sich mit über seine Pläne.

Die Kommunalwahl 2002 beschert den Bürgern Bad Aiblings einen neuen Bürgermeister. Exakt 87,8 Prozent der Wähler schenkten Felix Schwaller das Vertrauen.

 

Herr Schwaller, herzlichen Glückwunsch zum Wahlgewinn und gleich die erste Frage: Nach vier Jahren Schröder ist Deutschland beim Wachstum Schlußlicht in Europa. Die schlechte Wirtschaftslage wirkt sich nahezu auf alle Bereiche aus, somit natürlich auch auf die Städte und Kommunen. Wie sehen Sie Zukunft?

Die Zukunft der Stadt Bad Aibling sehe ich als deren Bürgermeister positiv. Einige zukunftsweisende Dinge, wie beispielsweise die Bohrung nach balneologischem Wasser, wurden bereits eingeleitet. Die Erfolgsaussicht, hier fündig zu werden, liegt aufgrund der geologischen Untersuchungen bei 87 Prozent. Unabhängig von der erfolgreichen Bohrung wurden darüber hinaus bereits städtebauliche Maßnahmen im Bereich zwischen Kurhaus und Rosenheimer Straße eingeleitet, wo mit Hilfe eines privaten Investors ein Hotel mit Wellnessbad und anderen gesundheitsfördernden Einrichtungen entstehen soll. Im Zuge dieser Planung werden wir auch den nächtlichen Verkehr des Kurhauses in eine andere Richtung lenken können, womit wir sicherlich auch das Problem mit den betroffenen Nachbarn lösen, insbesondere was die Lärmbelästigung nach 22 Uhr betrifft.

Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Amtszeit gesetzt?

Ich hoffe natürlich, daß zur ersten Legislaturperiode eine weitere hinzukommt, denn in den ersten sechs Jahren kann man sicherlich nicht alles umsetzen. Mein erstes Ziel ist die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rathaus hin zur Teamarbeit, wie es die freie Wirtschaft mit Erfolg durchführt. Darüber hinaus wünsche ich mir eine intensivere Mitarbeit der Bürger Bad Aiblings, was natürlich nur dann funktioniert, wenn man diese auch tatsächlich in die Entscheidungsprozesse miteinbindet. Die ersten Ansätze hierzu wurden gemacht: zu Sitzungen des Ausschusses für Stadtentwicklung mit Themen rund um die Gesamtverkehrsplanung und Umwelt wurden auch die Bürger eingeladen, weitere werden zukünftig folgen.

Die größte Schuld an unserer derzeitigen Wirtschaftslage gebe ich den »Bremsern« in der Regierung, aber auch in den Ämtern und Behörden. Innovative und kreative Verwaltungsangestellte sehen sich vor allem durch unsere zahlreichen Vorschriften und Gesetze in ihrer Arbeit behindert.

Es ist leider so, wie Sie sagen. Oftmals werden gute Ideen in den Köpfen der Verwaltungsmitarbeiter abgewürgt, weil sie nicht in das vorgegebene Konzept unserer Dienstvorschriften passen. Hier muß langfristig gesehen etwas geschehen, da ist vor allem der Gesetzgeber und der Dienstvorgesetzte, also der Bürgermeister, gefragt.

Dr. Keitz war ein guter Bürgermeister, wird man Sie jetzt an seinen Erfolgen messen? 

Natürlich wird ein Nachfolger immer an den Erfolgen des Vorgängers gemessen. Gewisse Kontinuität ist aber sicherlich festzustellen, da ich bereits seit fast 17 Jahren als zweiter Bürgermeister tätig war, somit auch während der gesamten Amtszeit des Dr. Keitz. Nachdem es schon während dieser Zeit niemals  Differenzen gegeben hat, weder im persönlichen noch im politischen Bereich, wird meine Arbeit grundsätzlich so weitergehen wie bisher, abgesehen von einigen Teilbereichen, die ich als Mann der freien Wirtschaft sicherlich anders entscheiden werde als Dr. Keitz, der ja aus dem öffentlichen Dienst kam.

Die rot-grünen Arbeitsmarkterfolge sind eher mager. Was werden Sie unternehmen, um die Beschäftigungsquote in Bad Aibling zukünftig möglichst hoch zu halten?

Bad Aibling ist von der schlechten Lage am Arbeitsmarkt so gut wie nicht betroffen, unsere Quote gleicht eher der einer Vollbeschäftigung. Im Bereich des gewerblichen Mittelstandes hat aber auch unsere Stadt ein Defizit aufzuweisen. Das Problem ist allerdings strukturbedingt, weil Bad Aibling als Kurstadt, anders als Kolbermoor oder Bruckmühl, natürlich nicht die typische Stadt für Gewerbeansiedlungen ist. Allerdings haben wir eventuell die Möglichkeit ein Grundstück zu erwerben, auf dem wir gewerbliche Flächen ausweisen können.

Was fehlt Ihrer Meinung nach in Bad Aibling, wo sehen Sie Chancen für Jungunternehmer?

In Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsforum soll zunächst ein Gründerzentrum errichtet werden. Die Anfangskonzepte sind bereits erstellt und ein Projektleiter wurde beauftragt. Jetzt sind wir seitens der Stadt natürlich gefragt, erstens ein Grundstück und zweitens notwendiges Kapital zur Verfügung zu stellen. Voraussetzung dafür ist eben ein gut durchdachtes Konzept, daß dann auch zum gewünschten Erfolg führt.

Sehen Sie Ihre Sachkompetenz als Steuerberater als großen Vorteil für die Kurstadt?

Nachteilig ist es sicherlich nicht, daß man als Bürgermeister Bilanzen lesen kann und daß man sich in Fragen des Haushaltsrecht oder der Haushaltswirtschaft auskennt, jede Überlegung oder jedes Tun dann bei Bedarf auch sofort in Finanzkraft oder Liquidität umzusetzen weiß.

Der Verdrängungswettbewerb im Einzelhandel zeigt seine Spuren: Einkaufszentren mit kostenlosen Parkplätzen an der Peripherie locken die Kunden und die Attraktivität der Innenstädte geht durch die vielen leerstehenden Läden verloren. Was wollen Sie tun, um hier wieder eine positivere Situation zu schaffen?

Diese Tatsache ist bundesweit festzustellen, also sicherlich kein Aiblinger Phänomen. Auch die Schaffung einer Fußgängerzone ist sehr schwierig und nicht unbedingt immer von Erfolg gekrönt. Meiner Meinung nach gehören vor allem Einkaufsmagnete zurück in die Innenstädte, wobei diese durchaus auch aus Einkaufszentren bestehen können.

Kostenloses Parken statt hemmungsloser Verfolgungswahn durch Politessen würde schon helfen, oder sehen Sie das anders?

Das ist Ihre These. Kostenloses Parken in der Innenstadt hat aber auch zur Folge, daß man dann oftmals gar keinen Parkplatz mehr findet, weil viele Plätze mit Dauerparkern belegt werden.

Nun ja, eine Parkscheibe würde schon ausreichen. Aber ich sehe Reformnotwendigkeit auch in anderen Bereichen. Was muß in den nächsten Jahren noch angepackt werden?

Der Stadtrat wird eine Untersuchung beauftragen, den Verkehr noch besser zu lenken. Der südliche Stadtteil wurde ja bereits vom Verkehr entlastet, der nördliche Teil ist aber weiterhin überlastet und die Belastung durch den Ver- kehr nimmt ständig zu. Der Schwerlastverkehr vom Norden in den Süden und um- gekehrt konnte mit der Südumgehung bisher nicht aus der Stadt herausgedrängt werden und fließt weiterhin durch die Innenstadt.

Die Stadtkasse ist relativ schlecht gefüllt, lassen sich deshalb viele gute Ideen nicht realisieren? 

Was heißt »schlecht gefüllt«? Wir haben zumindest wenig Schulden, möchte ich mal sagen. Derzeit erleben wir allerdings einen Einbruch im Gewerbesteuerbereich, da die Unternehmen seit einem Jahr die Möglichkeit haben, über Organschaftsverträge die Gewerbeerträge zu minimieren, Verluste einer Betriebsstätte also mit dem Gewinn in einer anderen Betriebsstätte verrechnen können. Größere Firmen bekommen derzeit die Gewerbesteuer erstattet.

Wo soll das Wachstum dann herkommen?

Wachstum, von der steuerlichen Seite her gesehen, ist momentan eher ungewiß, da ist jetzt der Deutsche Städtetag gefordert und natürlich auch der Gesetzgeber. Es macht keinen Sinn, wenn man das Steuerrecht zu Gunsten des Bundes ändert und die Gemeinden dadurch Verluste erleiden, auf der anderen Seite diese aber immer mehr Aufgaben aufgebürdet bekommen. Aktuelle Beispiele sind die Mittags- oder Ganztagsbetreuung und die Ganztagsschule.

Axel Springer hat einmal gesagt: Politiker versprechen einem alles, bis sie an der Macht sind. Danach vergessen sie’s.

Zunächst einmal wäre es mir lieber gewesen, wenn ich bei dieser Wahl einen Gegenkandidaten gehabt hätte. Da ich ja nicht unbedingt an die Macht wollte, trifft diese Aussage auf mich nicht zu. Ich werde jedenfalls alles daran setzen, daß ich auch zukünftig allen Bürgern ins Gesicht sehen kann. 

Mit ihrer Flut von Vorschriften, Gesetzen und Verordnungen stellen sich die Deutschen selbst ins Abseits. Innovation und Kreativität bleiben dabei auf der Strecke.

Das ist in der Tat ein sehr schwieriges Thema. Einerseits kämpfen die Bürger mit zahlreichen überflüssigen Gesetzen, Richtlinien, Verordnungen und Verwaltungsanweisungen, andererseits kommen aber auch ständig Bürger zu mir und fordern das Aufstellen von Hinweisschildern oder beschweren sich beispiels- weise darüber, daß der Nachbar nach 20 Uhr noch seinen Rasen mäht. Auch der Bürger selbst ist demnach zumindest zum Teil an dieser ausufernden Bürokratie schuld.

Das größte Problem für kleine und mittelständische Unternehmer ist zurzeit, daß ihnen die Banken die Kredite kündigen. Ihre Meinung dazu?

Das ist leider Gottes richtig. Durch die Änderung beziehungsweise Neuformulierung Basel zwei, wird der Mittelstand von den Banken nicht nur ungern gesehen, es gibt auch Großbanken, die kontinuierlich und sehr hart mittelständische Unternehmen ausbooten. Deshalb ist es sehr gut, daß wir zwei regional tätige Geldinstitute haben, Raiffeisenbank und Sparkasse, die auch weiterhin den Mittelstand betreuen und deren Kreditgeber bleiben wollen. Die Großbanken ziehen sich derzeit leider bereits aus diesem Geschäft zurück.

Sie sind auch Aufsichtsratsvorsitzender der Raiffeisenbank Mangfalltal, welche Bedeutung hat die Bank für diese Region?

Die Raiffeisenbank Mangfalltal hat für Bad Aibling die gleiche Bedeutung wie die Sparkasse. Wie gesagt, vergeben beide nach wie vor Kredite an mittelständische Unternehmen, sind vor Ort erreich- und ansprechbar, außerdem bringen sie der Stadt sehr viel Gewerbesteuer.

Wo liegen die Schwächen des Felix Schwaller?

Ich arbeite zuviel.

Die Union schlägt vor, Jobs bis 400 Euro von den Abgaben zu befreien und zwischen 400 und 800 Euro die Abgaben zu senken. Wie beurteilen Sie als »Steuermann« des Rathauses dieses Konzept?

Die steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Problematik der 325-Euro-Jobs ist äußerst kompliziert und muß möglichst schnell gelöst werden. Das ist nicht nur im Sinne eines Rathauschefs der Stadt Bad Aibling, auch wir haben ja sehr viele Personen im Dienstleistungsbereich, sondern nahezu auch aller anderen Betriebe. 

Welche Vorteile gegenüber Rosenheim bietet Bad Aibling den Unternehmern, die Platz für ein neues Unternehmen suchen?

Bad Aibling hat eindeutig den Vorteil der besseren Verkehrsanbindungen. Wir sind näher an der Autobahn, haben bereits eine Umgehungsstraße und liegen direkt an der Strecke München - Salzburg, München - Italien und Südosteuropa.

Wie sehen Sie die Zukunft der Kurbetriebe im allgemeinen und die der Aiblinger Einrichtungen im speziellen?

Tatsache ist: der klassische Kurbetrieb, wie er vor vielen Jahren geschaffen wurde, gehört der Vergangenheit an. Die Gesundheitsreform allein hat dieses Ergebnis nicht ausgelöst, aber beschleunigt. Heute geht der Mensch mehr auf Wellness und leichtere Kuren über, die Moorbadekur ist einfach nicht mehr »in«, ganz abgesehen davon wollen die Krankenkassen auch nicht mehr, daß sie regelmäßig verschrieben werden, weil sie aus ihrer Sicht gesehen zu teuer ist. Aibling muß andere Wege gehen, muß vor allem auf dem Laufenden bleiben und sich der veränderten Situation auf dem Sektor Freizeitkultur anpassen.

Seit Juli hat die Aib-Kur GmbH einen neuen Geschäftsführer. Als ehemaliger Hoteldirektor und Steigenberger-Mann hat Wilfried Furtwängler hoffentlich mehr Erfolg als sein Vorgänger. Was versprechen Sie sich von diesem Wechsel?

Nachdem Bad Aibling neue Wege im Gesundheits- und Kurbereich gehen wird, war es jetzt notwendig und sinnvoll, einen neuen Kurdirektor anzustellen. Peter Krumscheid hat sicher auch gute Dinge geschaffen, war in Teilbereichen auch sehr erfolgreich, allerdings hat ihm der Nachbarstreit im Kurhausbereich, aber auch die ganze Problematik des Kurwesen die Perspektive genommen. Der neue Kurdirektor Wilfried Furtwängler wird gemeinsam mit Herrn Krumscheid nun ein Zweiergespann bilden, von dem wir uns einen entscheidenden Schub nach vorne versprechen. Während Furtwängler den Marketing-Außenbereich abdecken wird, soll Krumscheid weiterhin in der Marketingbetreuung des Kurhauses sowie im Veranstaltungsbereich zum Einsatz kommen. Sollten weitere Aufgaben anstehen, werden ihm diese ebenfalls zugetragen.

Die Aiblinger Geschäftswelt diskutiert aber auch darüber, wer mehr Unterstützung braucht: Handel und Handwerk oder die Kurbetriebe. Furtwängler, mit dem ich dieses Thema kurz erörtert habe, sagte mir, daß sich eine bessere Auslastung der Kurbetriebe sicherlich auch positiv auf Handel und Handwerk auswirken würde.

Ich schließe mich dieser Meinung an. Vielleicht war auch das Klientel unserer Gäste in der Vergangenheit nicht unbedingt die Käuferschicht, die sich Bad Aibling wünscht, auch das sollte sich in Zukunft verbessern.

Wie sieht es auf dem Wohnungsmarkt aus?

Bad Aibling hat noch Gebiete, die baurechtlich bereits seit Jahrzehnten gesichert sind. Dann verfügt die Stadt auch über Gebiete mit Altbausubstanz, was bedeutet, daß diese in den nächsten Jahren abgebrochen werden, damit neue Häuser entstehen können. Ab und zu werden auch neue Baugebiete ausgewiesen, allerdings über das Programm »Bauland für Einheimische«. Angedacht wurden auch gemischte Wohnbaumodelle mit Bolz- und Spielplätzen für Kinder.

Wie sehen sie die Jugend von heute?

Sehr aufgeschlossen und kritisch. Allerdings gibt es neben den vielen jungen Menschen die sich im guten Sinn für eine Sache engagieren, auch immer wieder Leute in Randbereichen, die mit Problemen zu kämpfen haben. Ich sehe aber auch hier einen Auftrag an unsere Stadtverwaltung, bei der Lösung gewisser Probleme mitzuwirken. Mit dem Erwerb eines Hauses für das Focus-Familiennetzwerk haben wir hier bereits Akzente gesetzt. Die Mittags- und Nachmittagsbetreuung wird bereits erfolgreich durchgeführt und es wurde auch darüber diskutiert, das Netzwerk noch zu erweitern. Streetworker wurden bereits bestellt, sind aber noch nicht vorhanden, weil es derzeit noch Personalschwierigkeiten gibt. Zukünftig wird jedenfalls das Familiennetzwerk die Jugendarbeit in Bad Aibling insgesamt betreu- en, selbstverständlich mit Unterstützung der Stadtverwaltung.

Wie muß man sich Felix Schwaller vorstellen, wenn er nicht arbeitet?

Als Familienvater und Ehemann.

Zum Schluß nenne ich Ihnen noch einige Begriffe. Sie sagen bitte, was Ihnen dazu einfällt: Bürgermeisteramt?

Ein schönes Amt, wenn man es richtig führt.

Der neu gewählte Stadtrat?

Engagiert, jung und aufgeschlossen.

Intelligenz?

Ist sehr wichtig, denn da machen Unterhalten und Diskutieren erst Spaß.

Geld?

Zweitrangig, aber leider notwendig.

Familie?

Ist die Urzelle des Staates und seine wichtigste Einrichtung.

Kurhaus Bad Aibling?

Kann sicherlich noch besser und effektiver genutzt werden.

Euro?

Mittlerweile Routinesache.

Freizeit?

Hatte ich immer schon zu wenig.

Herr Schwaller, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für Ihre Arbeit.

     
 © 2012 RALF HANSEN STADTBROSCHÜRENVERLAG