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HORST HAUF

Vizedom der »Herzogstadt Burghausen e.V.«
Edition: Burghausen 2004

 
   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

Horst Hauf ist Vizedom der »Herzogstadt Burghausen e.V.«. Verleger Ralf Hansen unterhielt sich mit dem Vereinsvorsitzenden, den seine berufliche Vergangenheit als Kriminalbeamter nachhaltig zu dieser Tätigkeit inspirierte.

Die »Arbeitsgemeinschaft der Burghauser Vereine« wurde 1967 als Faschingsgesellschaft gegründet und 1998 umbenannt in »Herzogstadt Burg- hausen e.V.«. Die Vereinsphilosophie besagt, nicht nur Einzelpersonen sondern Familien und vor allem jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, gemeinsam tätig zu werden. Um ein Gruppen- und Zusammengehörigkeitsgefühl erleben zu können, das es in unserer Gesellschaft so heute nicht mehr gibt. Verleger Ralf Hansen sprach mit dem ersten Vorsitzenden Horst Hauf, der die Mitgliederzahl seit Beginn seiner Amtszeit als Vizedom, also innerhalb von fünf Jahren, von 25 auf 600 erhöhen konnte.

 

Herr Hauf, haben Sie heute schon regiert?

Ich regiere jeden Tag, denn die Herzogstadt macht soviel Arbeit, daß ich mich täglich mindestens zwei Stunden dafür einsetzen muss.

Definieren Sie mir die Philosophie des Vereins?

Die Vereinssatzung beinhaltet die Erhaltung historischen Brauchtums sowie die Nachgestaltung historischer Festlichkeiten und Ereignisse, wobei wir sicherlich auch einen sozialen Faktor innerhalb unserer Gemeinschaft erfüllen.

Ihre persönlichen Aufgaben?

Im Wesentlichen die Koordination der Mitglieder, die Organisation aller Veranstaltungen, natürlich auch die Beschaffung von Geldmitteln sowie ganz alltägliche Arbeiten, die ein Verein so mit sich bringt.

Der Verein soll Zusammengehörigkeitsgefühl vermitteln. Ist der rege Mitgliederzuwachs auch darauf zurückzuführen, dass die Welt um uns herum immer anteilnahmsloser wird, dass die Menschen Schutz in der Gemeinschaft suchen?

Das wird sicherlich einer der Gründe sein. Ich denke aber auch, dass unsere Mitglieder großen Spaß daran finden, sich zu verkleiden um dann, zumindest für kurze Zeit, in einer anderen Zeit zu leben. Auch die Möglichkeit, dass ganze Familien zusammen mal etwas gemeinsam unternehmen können, ist für den regen Mitgliederzuwachs nicht unerheblich. Wo sonst hat man die Möglichkeit dazu?

Verspüren Sie angesichts der hohen Besucherzahlen beim Burgfest Neidgefühle anderer Vereinsvorsitzenden?

Mir ist jedenfalls bisher nichts zu Ohren gekommen. Vielleicht schon deswegen nicht, weil ja viele Burghauser Vereine bei uns Mitglied sind. Natürlich ist es schon so, dass die Besucherzahlen unserer Veranstaltungen in etwa so hoch sind wie die, die der Fußball in Burghausen vorzuweisen hat. Das letzte Burgfest wurde immer- hin von rund 50.000 Gästen besucht, 15.000 waren bei der Sonnwendfeier und bei den restlichen Veranstaltungen kamen insgesamt noch mal um die 10.000.

Welche Bedeutung hat der Verein für die Salzachstadt?

Ich denke, dass wir in erster Linie eine große soziale Funktion ausüben. Die Gesellschaft hat sich bis heute so verändert, dass für eine Großfamilie kaum noch Platz ist. Verdrängungswettbewerb herrscht also nicht nur in der Wirtschaft, sondern seit Jahren auch schon in familiärer Hinsicht. In den Städten mehr noch, als auf dem Lande, wo doch die Bedeutung der Familie immer noch wesentlich größer ist und entsprechend gelebt wird. 

Gehen wir mal ins Detail, denn ich glaube Sie beschreiben sich gerade als Moralapostel. Was mir persönlich nicht unsympathisch ist, wenn ich mir die Entwicklung unserer Gesellschaft so betrachte.

Mit dem Ausdruck »Moralapostel« kann ich sehr gut leben, auch wenn er sicherlich etwas überzogen ist. Nennen wir das Kind doch beim Namen: ich denke mir, wenn Kinder und Jugendliche mehr Zusammenhalt in der Familie finden, wenn sie gemeinsam mit ihren Eltern ein sinnvolles Hobby betreiben, dann holen wir sie auch weg von der Straße, heraus zum Beispiel aus Spielhallen oder ähnlichen Einrichtungen. Ich bin der Meinung, dass nicht nur wir, sondern auch alle anderen Vereine die heranwachsenden Menschen eine sinnvolle Freizeitmöglichkeit eröffnen, wesentlich dazu beitragen, dass diese nicht so leicht straffällig werden wie andere, die keine derartigen Ziele oder Beschäftigungen haben.

Die Beschreibung würde auch für den Christlichen Verein junger Menschen gelten.

Natürlich. Vereine sind für mich das Rückgrat unserer Gesellschaft, denn unser Staat ist schon lange nicht mehr in der Lage integrativ zu wirken und wird es künftig aufgrund der fehlenden Finanzmittel noch weniger sein.

Ich kann Ihnen da nicht widersprechen. Dennoch und mit Verlaub gesagt, könnte ich persönlich mit einer Mitgliedschaft in einem historischen Verein nichts anfangen. Woher nehmen Ihre Mitglieder die Begeisterung?

Jeder von uns muss doch in seinem Leben tagtäglich mehrere Rollen spielen, die er sich nicht aussuchen kann. In der »Herzogstadt« kann er sich seine ganz persönliche Rolle aussuchen und diese auch spielen.

Die »Herzogstadt« setzt sich aus verschiedenen Gruppen zusammen.

Wir sind ein föderalistischer Verein und die insgesamt 17 Gruppen sind so selbständig wie möglich. Zusammengehalten wird das ganze von der Vorstandschaft, in der natürlich die Leiter aller 17 Gruppen vertreten sind. Vor meiner Zeit war in der »Herzogstadt« eigentlich nur der höfische Bereich vertreten, also die edlen Herren, Damen, die Herzöge und Grafen. Repräsentiert von einem kleinen, elitären Kreis von rund 25 Personen. Aufgenommen wurde man damals nur, wenn jemand aus- trat oder verstarb. Und man wurde noch dazu ausgesucht vom damaligen »Vizedom« Maximilian Hingerl, der den Verein auch gegründet hat. Aber das Leben früher hat ja zu 98 Prozent aus armen Leuten bestanden. Aus Musikern, Gauklern, Bauern, aus Bettlern, Arbeitern, Bürgern und Landknechten. Seit meiner Amtsübernahme ist es nun auch möglich, den Querschnitt der ganzen damaligen Gesellschaft zu repräsentieren. Was den Burghauser Gegebenheiten vor 500 Jahren sehr viel näher kommt, weil seinerzeit hier rund 2.000 Menschen lebten und man nur knapp über zehn davon als reich und adelig bezeichnen konnte.

Dann war es für Sie sicherlich eine große Ehre, dem Verein beitreten zu dürfen, als dieser noch dem besagten elitären Kreis vorbehalten war.

Und ob. Dabei hat mir das so viel Spaß gemacht, dass ich mich voll und ganz für den Verein engagiert habe und bereits ein Jahr später dort die Rolle des »Vizedom« übernehmen durfte. Ich habe dann aber sehr schnell erkannt, dass es nicht sein kann, nur 20 bis 25 Leute dieser wunderbaren Idee Zutritt gewähren zu lassen. Ich wollte einen Verein für alle. Für Junge, für Alte, für Reiche und für Arme, für Arbeiter und Akademiker. Mittlerweile vereinen wir in der »Herzogstadt« einen bunten Querschnitt aller Gesellschaftsschichten und Altersstrukturen. Wer allerdings meint, er muss hier besonders elitär wirken, ist sicherlich bei uns an der falschen Adresse.

Das Vizthumamt war seinerzeit für juristische, administrative, finanzielle und militärische Aufgaben zuständig. Wurde deswegen ein Kriminalbeamter mit dieser Aufgabe betraut?

Nein, der Kriminalbeamte wollte sich mit diesem Amt eigentlich selbst eine positivere Betrachtungsweise des Lebens schaffen. Ich habe zwölf Jahre im Bereich der Todesermittlungen, der schwersten Unfälle und der schwersten Explosionen gearbeitet. Vergewaltigungen, sexuelle Nötigungen und viele andere äußerst negative Fälle, mit deren Verfolgung und Klärung ich jahrelang dienstlich zu tun hatte, haben mich einfach geprägt. Und es ist doch sicherlich zu verstehen, dass man irgendwann mal davon Abstand nehmen und sich in seinem Leben auch mal den positiven Ereignissen widmen möchte. Möglicherweise hätte ich auch ohne meine Wahl zum »Vizedom«, die mir einen gewissen Ausgleich verschaffte und deren Bewältigung auch nicht immer leicht ist, meinen Job aus psychischen Gründen aufgeben müssen. 

Die Frage, ob Ihre Tätigkeit als Kriminalbeamter das Vertrauen in Ihre Person und das damit verbundene Amt positiv beeinflusst hat, ist noch offen.

Landläufig ist man sicherlich der Meinung, ein Polizist oder Kriminalbeamter wäre ein besserer Mensch. Ich denke aber, auch in dieser Berufsgruppe gibt es schwarze Schafe, schließlich spiegelt sich auch hier der gesamte Querschnitt der Gesellschaft wider. Auch oder gerade der Beamte, der in den gleichen Fällen wie ich seinerzeit zu ermitteln hat, kann von Problemen berichten, die auch vor einer Ehe nicht halt machen und unter Umständen sogar zu Straffälligkeiten führen, zu Verarmung, Spiel- oder Alkoholsucht.

Findet auch ein solcher Personenkreis, wie Sie ihn gerade beschrieben haben, innerhalb ihrer Gruppe Unterstützung?

Ich habe immer dafür plädiert, dass jeder Zugang zur »Herzogstadt« finden kann, wenn er möchte. Und wenn jemand, der mal mit dem Gesetz in Konflikt geraten, redlich und ehrlich geworden ist und sich bei uns nichts zu Schulden kommen lässt, dann ist auch der bei uns willkommen.

Themenwechsel. Wenn der Verein getreu den historischen Vorgaben geführt wird, haben Frauen dort eigentlich nichts zu sagen, oder?

Ich denke nicht, dass Frauen im Mittelalter nichts zu sagen hatten. Ich glaube, dass Frauen früher hinter der Schlafzimmertüre genauso das Sagen hatten, wie heute.

Nimmt der Burghauser Bürgermeister seine Ehrenmitgliedschaft so ernst, dass er sich extra für das Burgfest einen Bart wachsen ließ?

Hans Steindl nimmt alle Burghauser Vereine gleich wichtig und bevorzugt keinen, nur um des Vereinswillen selbst. Der Bart und die langen Haare waren das Ergebnis einer verlorenen Wette, die er leichtsinniger Weise bei der letzten Sonnwendfeier eingegangen ist und bei der einer unserer Reiter ein relativ aussichtsloses Rennen schließlich doch gewann. Beim Burgfest wurden diese dann vor großem Publikum abrasiert, beziehungsweise geschnitten. Leider waren die Barthaare schon etwas zu lang, so daß er über der Oberlippe einen blutenden Schnitt abbekam. 

Wobei dann sichtbar wurde, dass parteipolitisch gesehen, rotes Blut in seinen Adern fließt und kein blaues oder gar schwarzes. Ein Wort zu den historischen Grundlagen.

Unser Verein spielt in Fortsetzung zu den Landshuter Herzögen, und zwar in der Anfangszeit des 16. Jahrhunderts. Unser Regent ist Herzog Wilhelm IV., der ja mit seinem Bruder Ludwig Bayern regiert hatte. Ein Bruder der beiden, Fürstbischof Ernst, wirkte in Salzburg als Bischof.

Zu den größten Veranstaltungen des Vereins gehört das Burgfest. Bei den Besucherzahlen muss es in der Kasse richtig klingeln. Was unternehmen Sie mit dem Geld?

Dieses Geld gehört nicht dem Verein. Burgfest und Sonnwendfeier werden in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung organisiert. In den ersten Jahren wurde auf Wunsch des Bürgermeisters kein Eintritt verlangt und die Minuserträge von der Stadt ausgeglichen. Auch heute ist es uns aufgrund der hohen Kosten - wir sprechen von rund 120.000 Euro - nicht möglich, große Erträge zu erwirtschaften. Wir sind froh, wenn wir alle Kosten decken können, wollen an diesen Festen auch nichts verdienen. Sie sollten sich aber schon selbst finanzieren, schließlich ist es ein Fest von Burghauser Bürgern für Burghauser Bürger.

Gibt es denn noch Zuschüsse seitens der Stadtverwaltung?

Die Stadt gewährt uns einen so genannten »Feste- und Fundus-Zuschuss«, mit dem wir die Ausrüstung unserer Mitglieder bestreiten. Vieles wird von unseren Mit- gliedern selbst gefertigt, einiges muß aber hinzugekauft werden. Und da wir sehr viele junge Familien in unserem Verein haben die es sich nicht leisten können vier, fünf oder sogar sechs Personen mit historischen Kostümen oder Gegenständen auszustatten, regeln wir das über den besagten Fundus-Zuschuss der Stadt.

Mit den Augen der meisten Jugendlichen gesehen, ist das Verkleidungsritual sicherlich uncool. Gehen die nicht doch lieber zum Fußball oder zum Tennis.

Ich glaube, die Mitgliederzahl 600 spricht für sich. So uncool kann es wiederum auch nicht sein, denn wir haben in unserem Verein rund 150 Kinder und Jugendliche. Sicherlich gibt es des öfteren auch mal pubertäre Probleme, auch innerhalb meiner Familie. Meine Frau und ich haben vier Kinder, drei davon sind Mitglied der »Herzogstadt«. Die beiden kleineren, 14 und 16 Jahre alt, mögen nicht mehr so gerne historische Kostüme anziehen. Wenn ihre Freunde dabei sind, kann es dann schon mal passieren, dass sie ausgelacht werden. Ich denke aber, das ist eine Zeiterscheinung. Jedenfalls zwingen wir niemanden dabei zu bleiben, und jedem steht die Tür wieder offen, wenn die Coolness-Phase vorbei ist.

Noch mal zurück zu den Veranstaltungen: Gibt es auch Auslandsauftritte?

Ja, wir sind ein- bis zweimal im Jahr im Ausland, verschiedene Einzelgruppen sogar öfter. Dabei besuchten wir Länder wie Frankreich, Slowenien, Italien, Tschechien und Österreich.

Übt die Stadtverwaltung ein Mitspracherecht aus?

Nein, will sie auch gar nicht. Unser Verein verfügt über ganz normale Vereinstrukturen und in das Vereinsgeschehen selber lassen wir uns auch nicht hineinreden. Außer bei der Organisation der großen Veranstaltungen, da sind wir sogar froh über die Erfahrungswerte, die uns die Stadt zuteil werden lässt.

Wer unterstützt Sie bei Ihrer Arbeit im Verein?

Die Vorstandschaft besteht, wie bereits gesagt, aus 17 Mitgliedern, die allesamt wichtige Aufgaben übernommen haben. 

Welche Ziele haben Sie sich denn noch gesteckt?

Wir möchten in erster Linie den Verein in seiner Größe nicht uferlos wachsen lassen, so dass er irgendwann wie ein Ballon zerplatzt. Wir wollen das bisher geleistete konsolidieren, möchten bei unseren Festen nicht Quantität sondern Qualität bieten und werden auch an unserer Darstellung arbeiten und den Bezug zu Burghausen noch näher in unsere Vereinsarbeit integrieren.

Was bringt Sie so richtig auf die Palme?

Wenn man mir nicht zuhört. Und wenn Leute meinen, sie können aus der Herzogstadt oder aus Veranstaltungen in Verbindung mit der Herzogstadt private Vorteile ziehen.

Die Arbeit des »Vizedom« betreiben Sie ehrenamtlich, womit verdienen Sie im bürgerlichen Leben Ihr Geld?

Ich bin seit vergangenem Jahr stellvertretender Personalratsvorsitzender der Polizeidirektion Traunstein, von meiner bisherigen Tätigkeit jetzt freigestellt und nur noch für die Belange meiner Kolleginnen und Kollegen zuständig.

Sie sind Mitglied des Stadtrates. Hat Ihnen das Amt des »Vizedom« dabei geholfen?

Natürlich. Horst Hauf hat in Burghausen bis auf ein paar wenige Leute in der Altstadt niemand gekannt. Vielleicht hat mir diese Unbekanntheit aber auch geholfen, mich in vielen Fragen durchzusetzen. Einfach, weil man mich vielleicht unterschätzt oder nicht ernst genommen hat. Andererseits hat mir das Stadtratsmandat auch dabei geholfen, in relativ kurzer Zeit viel für die »Herzogstadt« zu erreichen.

Würden Sie sich scherzhaft als Vereinsmeier outen?

Ja, natürlich. Das abzustreiten wäre ganz einwandfrei gelogen.

Welche Voraussetzungen müssen neue Mitglieder erfüllen?

Sie sollten kameradschaftlich, konfliktfähig sein, im Team arbeiten können und Interesse an der Vergangenheit, an der Historie haben und auch an anderen Menschen haben, sowie die Bereitschaft zu helfen und für andere da zu sein.

Herr Hauf, ich danke Ihnen für das ausführliche Gespräch und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg für das Unternehmen »Herzogstadt«.

     
 © 2012 RALF HANSEN STADTBROSCHÜRENVERLAG