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Stephanie Frauendörfer

Inhaberin der Brauerei Schnitzlbaumer

Edition: Traunstein 2015
   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

Seit 2014 führen Stephanie und Philipp Frauendörfer die Brauerei Schnitzlbaumer. Eine Braumeisterin im eigenen Familienunternehmen darf sich aber nicht nur als Handwerksmeisterin oder als Diplom-Ingenieurin für Brauwesen verstehen, die sich mit der Herstellung von Bier befasst. Um in dem immer ­härter werdenden Kampf um die Gunst des Kunden bestehen zu können, gehört sehr viel mehr: kaufmännisches Geschick, Personalführung, Marketingstrategien. Grund genug für Verleger Ralf Hansen, sich mit Stephanie Frauendörfer zu unterhalten.

Frau Frauendörfer, ein Zitat von Marie von Ebner-Eschenbach lautet: „Wer aufhört, besser werden zu wollen, hört auf, gut zu sein.“ Entspricht das auch Ihrer Denkweise?
Ja natürlich. Die Philosophie, mit seinem Unternehmen qualitativ immer an der Spitze stehen zu ­wollen, sehe ich als Grundstein der erfolgreichen Entwicklung eines jeden Unternehmers. Die Orientierung an langfristigen Zielen auf Basis unserer Werte wie Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit spielt dabei eine große Rolle – wobei wir uns unseren Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern gleichermaßen verpflichtet fühlen.
Ein paar Worte zur Geschichte der Brauerei.
Unsere Brauerei ist wohl die älteste Brauerei Traunsteins und hieß bei ihrer Gründung im Jahre 1575 noch der „Obere Bräu“, später dann auch Stanglbräu. Am 23. April 1704 fiel die Brauerei dem ­zweiten Stadtbrand Traunsteins zum Opfer, wurde danach wieder aufgebaut und wechselte in den darauf folgenden Jahren mehrmals den Besitzer. 1889 übernahm dann die Brauerfamilie Schnitzlbaumer aus Jettenbach a. Inn die Brauerei und gab ihr den Namen, den sie heute noch trägt. Nach Jahren des Aufstiegs machte der erste Weltkrieg jedoch eine Stilllegung des Betriebs notwendig. Während der Kriegszeit braute man dann gemeinsam mit der Höllbrauerei in deren Betrieb. Nach Kriegsende wurde der Betrieb wieder aufgenommen, ausgebaut und modernisiert. Einen weiteren Rückschlag brachte der zweite Weltkrieg: Wieder war der Betrieb nach Kriegsende von Grund auf zu sanieren und auf Erfolgskurs zu bringen. Ständig wurde ­modernisiert, renoviert und viel Geld in die Technik investiert, um das hohe Qualitätsniveau der Biere zu halten. 1994 ging die Brauerei in die Hände von Gabriele Schnitzlbaumer und ihrem Mann Robert über. Zusätzlich konnte die Familie den Brauereiausschank, der 1890 notgedrungen verkauft werden musste, zurück erwerben. Seit Mai diesen Jahres haben wir nun die Ehre, das traditionsreiche Unternehmen fortzuführen, da alle drei Töchter der Familie Schnitzlbaumer sich für Berufe außerhalb des Familienbetriebs entschieden haben. 
Ein paar Worte zu Ihrem persönlichen Werdegang.
Eine eigene Brauerei zu haben, war schon immer mein großer Traum. Nach dem Abitur habe ich deshalb in Weihenstephan Brauwesen und Getränketechnologie studiert. An der Universität habe ich dann auch meinen Mann Philipp kennen gelernt. Wir haben dann gemeinsam von einer eigenen Brauerei geträumt und zu Hause sogar unser eigenes Bier gebraut. Zunächst aber wollten wir natürlich Berufserfahrung sammeln. 2005 habe ich deshalb in der Schweiz bei Calanda Bräu, einer Heineken-Tochter, zu arbeiten begonnen, anschließend ging ich für einige Jahre nach Darmstadt und arbeitete dort für einen Getränkegrundstoff-Hersteller. Irgendwann war dann das Heimweh nach Bayern schon recht groß, und ich wechselte nach Freising zur Molkerei Weihenstephan, um dort das Qualitätsmanagement zu leiten. Eine spannende Aufgabe, aber die Leidenschaft für das Bier hat nach wie vor überwogen. Das ging soweit, dass wir im Hinterhof des Hauses, in dem wir in München wohnten, sogar unseren eigenen Hopfen gezüchtet und damit Bier gebraut haben. Mein Mann begann parallel dazu einen zweiten Studiengang im Bereich Innovationsmanagement und wechselte danach für drei Jahre zu einer Münchner Großbäckerei. Vor zwei Jahren reifte bei uns der Gedanke zur Selbständigkeit, logischerweise mit einer kleinen Brauerei, da wir ja beide aus der gleichen Branche kommen. Durch den Tipp eines Bekannten erfuhren wir vom geplanten Verkauf der Brauerei Schnitzlbaumer – und wie Sie sehen, haben wir nach eingehender kaufmännischer und technischer Prüfung dann auch zugegriffen. Verständlich, dass für uns damit ein lang gehegter Traum in Erfüllung gegangen ist. 
Zur Herstellung eines guten Bieres benötigt man auch gutes Wasser. Woher beziehen Sie Ihr Wasser?
Zum größten Teil von der Stadt Traunstein. Selbstverständlich bereiten wir das Wasser dann noch einmal auf, um exakt den Härte- oder Weichheitsgrad zu erhalten, den ein qualitativ hochwertiges Brauwasser benötigt. Außerdem haben wir auch noch einen Brunnen, den wir benutzen können.
Trotz modernster Technik wird hier noch sehr viel mit der Hand gearbeitet.
Ja klar, die menschliche Hand ist schließlich durch nichts, aber auch gar nichts zu ersetzen. Das Sudhaus ist noch mit einer elektronischen Steuerung versehen, aber ab der nächsten Stufe, dem Gärkeller, wird alles noch komplett manuell gesteuert. Erst bei der Abfüllung kommt wieder die Technik zum Zug. Nach dem Sudhaus haben wir zwei große Bereiche zur Herstellung unserer Biere: den Gärkeller, wo die Hauptgärung stattfindet, also die Würze und das Zuckerwasser, das im Sudhaus hergestellt wurde, zusammen mit der Hefe zu Alkohol und CO2 vergoren wird. Im Anschluss daran folgt der Bereich „Lagerung und Reifung“, bei dem es wichtig ist, manuell eingreifen zu können, um das Produkt wie gewünscht entwickeln zu können. Man kann dabei an ganz feinen Rädern spielen, um genau den Geschmack zu erhalten, den man sich vorgestellt hat.
Dann kommen wir mal zu Ihrem Bierangebot.
Zu unserem Biersortiment gehören ein helles und ein dunkles Export, ein helles und ein dunkles Weißbier, ein Pils, ein Bockbier und seit Oktober noch ein helles Vollbier. Im Gegensatz zu unserem bisherigen hellen Export weist dieses helle Vollbier eine etwas geringere Stammwürze von 11,9 Prozent auf, und auch die Hopfung ist ein wenig geringer angesetzt. Das hat den Vorteil, dass das Bier vom Alkoholgehalt her etwas leichter und von der Bitterkeit her etwas gefälliger ist. Im Ausschank haben wir zusätzlich auch immer verschiedene Saisonbiere, beispielsweise ein so genanntes Sommer- oder Winterbier. Natürlich ergänzen wir unser Portfolio noch mit entsprechender Handelsware, wie zum Beispiel Limonaden, Colagetränke oder Mineralwasser, planen aber ab 2015 den Aufbau einer eigenen Linie für alkoholfreie Getränke. 
Worauf achtet der Kunde heute mehr? Auf die Qualität des Produkts oder auf den Preis?

Ich würde mal sagen, dass der Verbraucher auf alle genannten Möglichkeiten achtet. Das Produkt muss in sich stimmig sein und schmecken, der Preis zur Qualität passen und für den Verbraucher nachvollziehbar sein.
Welcher Unternehmensauftrag würde denn Ihr Herz etwas höher schlagen lassen?
Wir beliefern hauptsächlich den Endverbraucher und da wäre es schon schön, wenn wir die Marke „Schnitzlbaumer“ auch über unsere Region hinaus noch etwas bekannter machen könnten. 
Welche Themen bewegen Ihre Branche derzeit?
Die extreme Preisaggressivität der Großbrauereien sowie die Sorge darum, dass die Menge und Qualität der Rohstoffe nicht mehr so zur Verfügung stehen, wie es noch vor zwanzig Jahren war. Deutschland hatte bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges noch rund 4.000 verschiedene Gerstensorten, heute sind es in ganz Europa nur noch vier Haupt- und sechs Nebensorten. Außerdem denke ich, dass sich unsere Branche an einem Scheideweg befindet und wir ganz klar feststellen können, dass der klassische Biertrinker sich wieder auf regionale Biere zurückbesinnt und eine gewisse Verdrossenheit gegenüber großen, nationalen Bieren aus der Fernsehwerbung aufkommt. Wir sehen das als Chance für kleine, regionale Brauereien, eine Zukunft zu finden. Ich denke auch, dass gewisse Biere irgendwann als Spezialitäten wahrgenommen werden, ähnlich dem Wein. Wir selbst sind in dieser Richtung bereits tätig geworden und bieten den Gäste unser so genanntes „Pro-Biererl“ an. Vier hervorragende Schnitzlbaumer Spezialitäten zum Probieren – serviert in 0,1-Liter-Gläsern auf einem Holzbrett.
Thema Zukunft.
Wir verbinden Tradition mit Zukunft. Die deutschen Brauer haben es stets verstanden, Tradition und Moderne miteinander zu verbinden. Die Fähigkeit, neuen Anforderungen gerecht zu werden und gleichzeitig an bewährtem festzuhalten, gewährleistet, dass die Brauwirtschaft nicht nur eine stolze Vergangenheit hat, sondern auch Zukunftschancen bietet. Das beste Beispiel für die Kontinuität der Braubranche ist das deutsche Reinheitsgebot. Seit 1516 schreibt es fest, dass zur Herstellung von Bier nur Malz, Hopfen, Hefe und Wasser verwendet werden darf. Das gilt noch immer – ohne Einschränkungen. Ich sehe die Zukunft des deutschen Brauwesens im Übrigen sehr positiv.
Hat das Handwerk noch goldenen Boden?
Ich denke schon. Aber wir müssen auch den Nachwuchs fördern, um später auf gut ausgebildete Mitarbeiter zugreifen zu können. Dann hat das Handwerk auch zukünftig goldenen Boden. Wir beschäftigen derzeit einen Auszubildenden, mit dem ich sehr zufrieden bin.
Gestaltet sich die Ausbildung attraktiv genug? 
Ja, in jedem Fall. Es kommt aber auch immer darauf an, wie man sich verkauft. Gerade in unserem Landkreis kann man feststellen, wie modern die Handwerksbetriebe ausgestattet sind. Wichtig für junge Menschen, die eine nachhaltige Tätigkeit in einem zukunftsorientierten Beruf mit entsprechenden Perspektiven suchen. Es liegt also an uns, das optimal und positiv zu vermitteln. Um die Qualität des Lebensmittels Bier sicherzustellen, sind Kenntnisse in Mikrobiologie und Botanik, in Biochemie und Analytik unerlässlich. Dazu kennen sich Brauer und Mälzer in den Bereichen Energieversorgung, Umweltschutz und Hygiene aus. Und damit das Bier nicht nur schmeckt, sondern sich die Herstellung auch rechnet, braucht es betriebswirtschaftliches Know-how. Langweilig wird es also nicht. Und nach der Ausbildung steht Brauern und Brauerinnen die Welt offen. Wegen der Qualität des deutschen Bieres und des hohen technischen Standards der Brauereien sind in Deutschland ausgebildete Brauer und Brauerinnen geschätzte und begehrte Experten in der ganzen Welt.
Welche Folgen hatte die Öffnung des europäischen Marktes für das Braugewerbe?
Zolltechnische Abwicklungen sind dadurch sicherlich unkomplizierter geworden. Aber das EU-Recht hätte auch schon für ganz andere Dinge in Kraft treten sollen, die nicht im Sinne des Verbrauchers waren oder die traditionelle Herstellung sowie die Verpackungsart beeinträchtigen. Es wurde tatsächlich schon versucht, am deutschen Reinheitsgebot zu basteln, und man hat auch schon verbieten lassen wollen, dass Frankenwein in Bocksbeutel abgefüllt wird. Der gemeinsame europäische Markt ist also nicht immer nur vorteilhaft, wie Sie sehen.
Bietet das Handwerk, speziell der Beruf des Brauers, heute noch die Chance, kreativ zu sein?
Natürlich kann, oder besser muss das Handwerk heute auch kreativ tätig sein. In meinen Augen eine der wich­tigsten Voraussetzungen für Erfolg.
Lassen Sie uns mal vom Brauerei-Ausschank sprechen. Welche Ideen haben Sie, hier wieder etwas mehr Leben hineinzubringen?
Unser neuer Koch hat frischen Wind in unsere Küche gebracht und setzt auf Regionalität und Kreativität. Wir halten uns in der Brauerei an das deutsche Reinheitsgebot, wollen dieses aber auch bei der Zubereitung der Speisen widerspiegeln. Dazu bedient sich unsere Küchenchef vorwiegend regionaler Produkte deren Herkunft er kennt, und die er dann zu leckeren Spezialitäten kombinieren kann. Fertigprodukte findet man in unserer Küche jedenfalls nicht. 
Wie beurteilen Sie den Standort Deutschland im Allgemeinen und Traunstein im Speziellen?
Der Standort Deutschland hat durch seine starke mittelständische Struktur, besonders in den Bereichen Handwerk und Industrie, gezeigt, dass er sehr krisenfest ist. Und Traunstein im Besonderen verkörpert dies sogar noch ein Stück mehr, denn wir können hier auf eine Vielzahl gesunder, Unternehmen verweisen.
Gibt es Neuerungen?
Die gibt es in der Tat. Im vorderen Bereich unseres Ausschanks, dem ehemaligen Kontor, wird eine so genannte Craft-Beer-Bar eröffnet. Hier setzen wir nicht nur auf unsere eigenen ausdrucksstarken Biere, der Gast kann zusätzlich aus einer ganzen Reihe einzigartiger ­nationaler und internationaler Bierspezialitäten wählen und sich von deren Geschmacksprägung überzeugen lassen. Besuchen Sie uns mal, der Überraschungseffekt ist jedenfalls garantiert.
Frau Frauendörfer, besten Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei der Umsetzung Ihrer Ideen.

     
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