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INGO FLECHSENHAR 

Geschäftstellenleiter der Landesbrandversicherung 
Edition: Traunstein 2006

   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

Sicher ist Sicher - Ingo Flechsenhar leitet seit elf Jahren die Geschäftstelle der Landesbrandversicherung in Traunstein. Hier beantwortet er grundsätzliche Fragen zur derzeitigen Situation des Unternehmens

 

Der Konzern „Versicherungskammer Bayern“ ist der größte öffentliche Versicherer Deutschlands und bundesweit eines der zehn größten Erstversicherungsunternehmen. Mit seinen regional tätigen Gesellschaften ist das Unternehmen in Bayern, der Pfalz, im Saarland sowie in Berlin und Brandenburg aktiv. Darüber hinaus betreibt es gemeinsam mit den anderen öffentlichen Versicherern das Krankenversicherungsgeschäft bundesweit. Als Allsparten-Versicherer bietet die Versicherungskammer Bayern das gesamte Spektrum an Versicherungsleistungen für Privatkunden und Unternehmen, Institutionen aller Art und Freiberufler an. Für den reibungslosen Ablauf und das Zusammenspiel aller Geschehnisse in der Geschäftsstelle Traunstein zeichnet Ingo Flechsenhar verantwortlich. Verleger Ralf Hansen besuchte ihn und führte mit ihm ein Gespräch.

 

Herr Flechsenhar, Versicherungen gehören heute zum modernen Alltag. Wie kam man eigentlich auf die Idee, sich zu versichern?

Versicherungsähnliche Einrichtungen lassen sich bis weit ins Altertum zurückverfolgen. Spezielle Risiken und ein spezieller Sicherungsbedarf ergab sich dabei in der Regel bei Reisen und Transporten. Überliefert sind zum Beispiel Abmachungen von Karawanenteilnehmern, einen allfälligen Schaden durch Raub oder Überfall gemeinsam zu tragen. Diese ersten Ansätze entsprechen noch nicht unserem heutigen Versicherungsverständnis. Wichtige Voraussetzungen, beispielsweise die Schätzbarkeit des Risikos, eine entwickelte Geldwirtschaft oder eine umfassende Rechtsordnung, lagen erst viel später vor. Die praktische Verwirklichung des modernen Versicherungsgedankens lässt sich auf drei Wurzeln zurückführen: Es ist in der versicherungsgeschichtlichen Literatur unbestritten, dass die Entwicklung des Genossenschaftswesens im frühen Mittelalter den Gedanken der gegenseitigen Hilfe und damit auch die Versicherungsidee nachhaltig fördert. Bekannt und belegbar sind etwa die zahlreichen Bestrebungen von Handwerkszünften, ihre Mitglieder in Notfällen wie Krankheit, Invalidität, Tod und Alter aus ihrem durch Beiträge erworbenen Vermögen zu unterstützen. Der Gedanke einer Versicherung aufgrund staatlicher Initiative fällt in die Zeit des aufgeklärten Absolutismus, als Fürsten es für ihre Pflicht hielten, die „geistige und leibliche Wohlfahrt ihrer Untertanen zu fördern“. Konkreten Ausdruck fanden diese Bemühungen in der Gründung zahlreicher staatlicher Versicherungseinrichtungen für den Bereich der Gebäude-Brandversicherung, häufig mit Zwangs- und Monopolrechten versehen. Dieser Ansatz konnte - auch in Deutschland - bis zum heutigen Tag bestehen. Der Ursprung der Versicherung auf kaufmännischer Grundlage geht auf die Bedürfnisse des modernen Handelsverkehrs zurück. Ausgangspunkt bildeten die oberitalienischen Seestädte des 14. Jahrhunderts. Die reiche Verwendung aus der italienischen Sprache abgeleiteter Begriffe in unserer Wirtschafts- und Versicherungssprache legt heute noch Zeugnis davon ab: Aktie, Konto, Prokura, Assekuranz oder Police. Die Entwicklung des Versicherungsgedankens folgte anschließend den politischen und damit auch den wirtschaftlichen und kulturellen Machtzentren. Dem Interesse der Kaufleute entsprechend stand zunächst die Seeversicherung im Vordergrund. Ihr folgte bald die Feuerversicherung der Warenlager, wobei sich danach der Versicherungsgedanke auch auf die Binnenländer übertrug. Eine eigentliche Blütezeit der Versicherungswirtschaft setzte zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein, als wissenschaftliche Fortschritte in den Disziplinen Mathematik, Statistik und Medizin viele Risiken erst kalkulierbar machten. 

Die Globalisierung macht auch vor der Versicherungswirtschaft nicht halt, steht vor neuen Herausforderungen. 

Das ist richtig. Auch die Versicherungswirtschaft ist wie nie zuvor von tief greifenden Veränderungen gekennzeichnet. Die Ausrichtung von Versicherungsunternehmen in ihre Sparten wird in Frage gestellt. Es etablieren sich momentan immer mehr Versicherungsunternehmen am Markt, die sich auf bestimmte Produkte, Regionen oder Kundentypen spezialisieren. Die Zukunft gehört jedenfalls kundenorientierten Geschäftsfeldern, und eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben von Versicherungsunternehmen ist, diesen Wandel zu bewältigen.

Wie definieren Sie „Kundenorientierung“?

Aus Sicht eines Versicherungsunternehmens ist ein Kunde nicht nur der Versicherungsnehmer, sondern es sind Anspruchsteller aus einem Schadensfall, Bezugsberechtigte aus einem Leistungsfall, Sachverständige, Reparaturwerkstätten, Anwälte, Lieferanten, Versicherungsvermittler. Sie alle stehen in einer bestimmten Beziehung zum Versicherungsunternehmen und haben einen unterschiedlichen Dienstleistungsanspruch. Das Image des Versicherungsunternehmens wird bei allen Kundengruppen geprägt durch die Form der Dienstleistungserbringung. Um die verschiedenen Aspekte der Kundenorientierung berücksichtigen zu können, muss ein Versicherungsunternehmen Informationen über seine Kunden haben. Versicherungsunternehmen beschränken sich heute üblicherweise auf Daten, die für den Abschluss eines Versicherungsvertrages erforderlich sind. Darüber hinaus gibt es Kundendaten bei den Vermittlern, die für die Akquisition benötigt werden und aus rechtlicher Sicht dem Vermittler gehören. Kundenorientierung setzt aber Informationen darüber voraus, welche Leistungen die Kunden erwarten und welche ihnen besonders wichtig sind. Deshalb muss ein Versicherungsunternehmen in der Lage sein, Informationen aus unterschiedlichen Quellen über Kunden beziehungsweise Kundengruppen zu erhalten. Um durch Serviceleistungen Wettbewerbsvorteile zu erzielen, benötigt es zusätzlich Informationen darüber, welche Serviceleistungen auf dem Assekuranzmarkt derzeit angeboten werden und welche zukünftig von den Wettbewerbern geplant sind. Aufbauend auf diesen Informationen muss ein Versicherungsunternehmen in der Lage sein, bedarfsgerechte Produkte und Dienstleistungen zu gestalten. Um einen Wettbewerbsvorteil zu erhalten, müssen Produkte und Dienstleistungen darüber hinaus schnell gestaltet werden können. Dies setzt Produktbündel oder flexible Produktbausteine voraus. Der Kunde will das Versicherungsunternehmen im Falle eines Vertragsabschlußes oder nach Eintritt eines Schadensfalles schnell und unkompliziert erreichen können und erwartet eine unverzügliche Bearbeitung beziehungsweise Regulierung. Der Vertrieb muss auf diese Anforderungen durch fachliche Kompetenz, ausreichende Entscheidungsmöglichkeiten und durch Nutzung neuer Medien vorbereitet sein. Kundenorientierung macht es notwendig, dass der Vermittler nicht nur den Vertragsabschluß einschließlich der Policenerstellung vor Ort durchführt, sondern auch den Schaden reguliert. 

Sie werben mit dem Slogan „Alles in einer Hand“. Welche Produkte umfasst denn Ihr Versicherungsangebot?

Wir bieten nahezu alle Versicherungen an, die im Zusammenhang mit der Altersvorsorge stehen, Haftpflicht-, Rechtsschutz- und Kraftfahrzeugversicherungen, wir decken den Bedarf der Landwirtschaft an Versicherungsschutz ab, haben Reise- und Unfallversicherungen im Angebot und sind auf dem Gebiet der Lebensversicherungen ganz hervorragend sortiert. Unsere traditionelle Hauptaufgabe besteht aber immer noch darin, Versicherungen rund um die Immobilie anzubieten. Zum Beispiel Gebäudebrand-, Leitungswasser-Sturm-Hagel-, Elementar- sowie die angrenzenden Haftpflichtsparten.

Deutschland steht vor dem Rentenkollaps. Droht uns in Zukunft eine Altersarmut?

Gäbe es einen Offenbarungseid für gesetzliche Systeme, die deutsche Rentenversicherung hätte ihn längst ablegen müssen. Denn wir befinden uns in einer entsetzlichen Zwickmühle: Weil die Geburtenrate ständig sinkt, gibt es immer weniger Arbeitnehmer, die unsere Renten finanzieren. Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung, die Zeit der Rente wird immer länger. Und über eines müssen wir uns klar sein: Ändert sich an den Zahlen der Bevölkerungsentwicklung nichts, ist Deutschland quasi nicht überlebensfähig. Noch dazu befinden wir uns erst am Anfang des demographischen Sturms, die richtigen Böen stehen noch bevor.

Albert Schweitzer sagt: „Mich interessiert vor allem die Zukunft, denn das ist die Zeit, die ich gestalten muss.“ Denken die Deutschen so?

Schön wäre es. Tatsache ist: Die Deutschen denken in der Mehrheit nicht so. Neben den wenigen Menschen, die es begriffen haben, gibt es viele, die tatsächlich in Lethargie verharren. Aber wer jetzt nichts tut, wird später möglicherweise an der Armutsgrenze leben müssen, für den Fall der Rentenzeit: 365 Tage im Jahr. Diese drohende Altersarmut wird weit unterschätzt. Will ein Unternehmer im Alter seinen Ruhestand, sozusagen den längsten Urlaub des Lebens, auf dem erarbeiteten Niveau genießen, bedarf es schnell eines siebenstelligen Vermögens.

Kommen wir von den Böen der Altersvorsorge zu den Böen der Natur: Hurrikans in den USA, Herbststürme hier: Viele Hausbesitzer wollen sich gegen Naturkatastrophen versichern, aber Versicherungsschutz gegen Hochwasser wird oftmals nur für Häuser angeboten, für die ohnehin kaum Gefahr besteht.

Da liegen Sie falsch. Nehmen wir als Beispiel die Stadt Traunstein: Hier sind bis auf wenige Ausnahmen alle Gebäude gegen Hochwasser versicherbar. Zu den wenigen Ausnahmen gehören nur Gebäude, die in klar definierten Hochwasserzonen stehen. Das Prinzip der Gegenseitigkeit, die für alle Versicherungen Gültigkeit hat, verbietet es sogar im Interesse aller anderen Versicherungsnehmer, derartige Objekte zu versichern, da das Risiko nicht kalkulierbar ist. Ich bin Besitzer eines Hauses in der Nähe des Traunufers, weiß also um die Gefahren die die veränderte Klimaentwicklung mitsichbringt und kann eigentlich nur jedem raten, eine Elementarversicherung abzuschließen, die ja nicht nur Hochwasser beinhaltet, sondern auch Schneedruck und Erdbeben - wobei letzteres eher Bürger aus dem Landkreis Berchtesgaden betrifft.

Gibt es Dinge, die sich nicht versichern lassen?

Theoretisch nein: Sofern sich die Risiken erfassen und schätzen lassen, lässt sich auch ein Preis für die Risikodeckung errechnen. Dies gilt zunehmend auch für die gemäß „klassischer Versicherungstheorie“ nicht versicherbaren Unternehmerrisiken, die sich teilweise mit modernen Instrumenten des Finanzmarktes „versichern“ lassen. Allerdings bestehen für viele Risiken keine funktionierenden Risikomärkte, das heißt für zahlreiche Risiken wird sich keine Deckung finden lassen. Interessant ist hier zu verfolgen, wie das Auftreten neuer Risiken zur Entstehung neuer Märkte führen kann. 

Wohin gehen die Trends in der Versicherungsbranche?

Diese Frage ist in wenigen Sätzen kaum zu beantworten, da sich mehr und mehr differenzierte Versicherungsmärkte herausbilden und man kaum mehr von einer Versicherungsbranche sprechen kann. Beschränkt man sich auf das Privatkundengeschäft, so zeigen sich zurzeit für den Markt etwa folgende Trends: Die Deregulierung des Marktes hat zu einer sprunghaften Zunahme der Wettbewerbsintensität geführt. Grundsätzlich zeigen sich daher in diesem Marktsegment Entwicklungen, die sich auch auf andern hoch kompetitiven Märkten nachweisen lassen. Dazu zählt sicherlich eine verstärkte Kundenorientierung, die sich unter anderem in neuen Produkten, umfassenderen Serviceleistungen zum Beispiel Call Centers bis hin zur Aufbauorganisation - starke Segmentierung nach Kundengruppen - niederschlägt. Die Tendenz, Problemlösungen anstelle von Produkten anzubieten, wird die Branchendurchmischung im Bereich Versicherungen/Banken verstärken. Der hohe Wettbewerbsdruck sorgt gleichzeitig für tendenziell sinkende Preise beziehungsweise aus Sicht des Anbieters für geringere Margen. Noch weiter zunehmen dürfte auch die Marktkonzentration. Bereits heute decken die größten Anbieter am Markt etwa 70 bis 80 Prozent des Volumen ab. Daneben wird auch den „Nischenplayern“ gute Chancen eingeräumt. Noch weitgehend unklar ist die Frage, wie das E-Business die Versicherungswirtschaft schütteln wird. Versicherungsprodukte und -dienstleistungen stellen tendenziell ein Austausch von Informationen dar. Mit andern Worten: Es sind hier kaum Prozesse denkbar, die sich nicht über moderne Informatiklösungen abbilden lassen. Akzeptiert man diese Optik, muss man davon ausgehen, dass „virtuelle Unternehmungen“ die Versicherungswirtschaft von morgen prägen werden. Dem steht jedoch die Erfahrung gegenüber, dass viele Nachfrager mit dem Versicherungsgedanken Motive und Vorstellungen von persönlichen Dienstleistungen verbinden - Care-Gedanke, innere Sicherheit, Betreuung oder Pflege - die sich kaum über Internet-Lösungen befriedigen lassen. Es wird spannend sein zu beobachten, für welche Optionen sich die einzelnen Anbieter entscheiden werden.

Wie beurteilen Sie den Versicherungsbedarf von Seniorinnen und Senioren?

Der beschränkt sich im Normalfall auf drei Versicherungen: auf eine so genannte Familienhaftpflichtversicherung, auf eine Schadensversicherung gegen Brand und eventuell kann der Hausrat auch gegen Diebstahl versichert werden. Diese Versicherungen brauchen nur jene Seniorinnen und Senioren, die selbständig in einem eigenen Haushalt wohnen. Wer bei Verwandten wohnt und auch bei diesen auf dem Familienbogen geführt wird, braucht nicht extra eine Haftpflicht- und eine Brandversicherung. Wer noch Hinterbliebene zu versorgen hat sollte sich auch diesbezüglich Gedanken machen: reicht die eventuelle Hinterbliebenenrente für die Absicherung aus? Kommt eine Risikolebensversicherung oder Unfallversicherung in Frage? 

Die Versicherungskammer Bayern hat darüber hinaus ein neues Produkt entwickelt - das so genannte 50-plus-Paket. Diese Versicherung bietet nicht nur finanzielle Unterstützung nach einem Unfall, sondern auch die Kosten einer zuverlässigen Betreuung im Alltag nach einem stationären Aufenthalt im Krankenhaus. Nicht jeder hat einen Partner, der einkaufen geht, ihn zum Arzt fährt, eine Mahlzeit vorbeibringt oder die Wäsche wäscht. Mit der Unfallversicherung 50 plus hat man genau den Partner, der alles in die Wege leitet, damit man sich ganz auf seine Erholung konzentrieren kann. Bei einem Oberschenkelhalsbruch beispielsweise erhält man in jedem Fall finanzielle Soforthilfe. Die Kosten dieser Versicherung: Ab 28 Euro im Monat. Damit sichert man ein Top Preis/Leistungsverhältnis, hohe finanzielle Absicherung, attraktiven Rundumschutz im Hinblick auf alle genannten Leistungen. Wichtig ist: bevor eine Entscheidung getroffen wird, sollte man sich bei uns unabhängige Informationen einholen.

Mit welchen Gefühlen blicken Sie selbst in die Zukunft?

Mit sehr, sehr positiven! Ich bin der festen Überzeugung: Jeder Mensch kann seine Zukunft gestalten. Denn jeder Mensch trägt in sich die ihm eigene Kompetenz, die ihn zu Lösungen befähigt. Denken wir immer daran: Wenn die Umstände nicht so sind, wie sie sein sollen, ändern wir die Umstände.

Herr Flechsenhar, ich danke Ihnen für das Gespräch.

     
 © 2012 RALF HANSEN STADTBROSCHÜRENVERLAG