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DR. RAINER NEUMANN

Geschäftsführender Gesellschafter der Geriatrie Klinik Rosenheim
Edition: Rosenheim 2006

   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

Leben im Alter - Dr. med. Rainer Neumann ist geschäftsführender Gesellschafter der Geriatrie Klinik Rosenheim. Hier beantwortet er grundsätzliche Fragen zur derzeitigen Situation des Unternehmens

 

Die Geriatrie Klinik Rosenheim ist ein eigenständiges Unternehmen in der Kliniken Harthausen-Gruppe, die als Fachklinik speziell auf die Rehabilitation lebens- älterer Patienten ausgerichtet ist und durch langjährige Erfolge Vertrauen genießt. Aufgabe der Klinik ist die Erhaltung der Gesundheit im Alter, insbesondere die frühzeitige Reaktivierung nach Krankenhausaufenthalten, Operationen und akuten Erkrankungen. Verleger Ralf Hansen unterhielt sich mit dem geschäftsführenden Gesellschafter Dr. med. Rainer Neumann.

 

Dr. Neumann, bitte eine kurze Beschreibung der Charakteristik Ihrer Klinik.

Die Geriatrie Klinik Rosenheim ist auf die Behandlung lebensälterer Patienten spezialisiert und verfügt als Fachklinik über 104 Betten für stationäre geriatrische Rehabilitation. Dazu besteht ein Versorgungsvertrag für die Behandlung von Ver- sicherten aller gesetzlichen Krankenversicherungen und privatversicherten Patienten. Darüber hinaus ist die Geriatrie Klinik beihilfefähig und wird durch ihre besonderen Leistungen von Selbstzahlern sehr geschätzt. Zusätzlich zur stationären haben wir die Zulassung zur ambulanten Behandlung und geben auf Rezeptverordnung oder Selbstzahlung Heilmittel in den Bereichen Physiotherapie, Massage und Ergotherapie ab und behandeln hier alle Störungsbilder bei Patienten jeden Alters. Dabei haben wir durch unsere besondere Erfahrung natürlich einen besonderen Schwerpunkt bei lebensälteren Patienten. Gerade im ambulanten Bereich bietet die Prävention hier viele Möglichkeiten. Als privater Träger ist es unser Ziel, höchste medizinische Leistung mit Vertrauen und dem Gefühl von Geborgenheit zu verbinden. Wir sind flexibel und können auf Veränderungen am Markt schnell reagieren. Trotzdem bleibt bei allen Entwicklungen und Zwängen die persönliche Betreuung unserer Patienten und ihrer Angehörigen der Mittelpunkt unserer Zielsetzung. 1996 haben wir mit der Geriatrie in Bad Aibling begonnen. Heute befindet sich die Klinik in Rosenheim als selbständige Einheit in einem eigens für diesen Zweck umgestalteten Krankenhausgebäude und einem Neubau gemäß geriatrischen Anforderungen. Damit konnten wir unsere Erfahrung auch baulich in einem neuen Konzept umsetzen. Wegen der weiter gefassten Aufgaben wird die Klinik zukünftig auf den Namen Kliniken Harthausen Rosenheim umgestellt.

Würden Sie die Krankheitsbilder, die zur Aufnahme führen, bitte konkretisieren?

Aufgrund der erhöhten körperlichen Anfälligkeit und meist gleichzeitig bestehen- der, verschiedener Erkrankungen - medizinisch heißt das multimorbide - kommt es im Alter zu speziellen Krankheitsverläufen. Alte Menschen sind deshalb bei Verletzungen oder zusätzlichen Erkrankungen besonders gefährdet. Jede verlängerte Krankheitsdauer bedeutet eine erhöhte Komplikationsgefahr, daher müssen Rehabilitation und Prävention sehr früh einsetzen. Häufig führen ein- schneidende soziale Veränderungen zu psychischen Erkrankungen, die eine ganzheitliche Betreuung der älteren Menschen erfordern. Rasche Hilfe ist auch dann notwendig, wenn die Patienten einen Leistungsverfall zeigen oder ihre bisherige, gewohnte Tätigkeit nicht mehr bewältigen können.

Wer leitet die Klinik?

Chefarzt der Klinik ist Dr. Markus Gosch, ein sehr erfahrener Geriatrie-Spezialist mit überregionaler Anerkennung. Als Klinikleiter steht ihm Herr Christian Laubenthal zur Seite. Geschäftsführer ist Dipl.-Kfm. Alexander Zugsbradl. Ich sehe mich in meiner Position als geschäftsführender Gesellschafter immer mehr als Seniorpartner, der die fachliche Entwicklung und Atmosphäre aus seiner Erfahrung heraus begleitet.

Wie beurteilen Sie den medizinischen Erfolg in Ihrem Hause?

Die meisten Patienten, die unsere Klinik aufsuchen, werden liegend aufgenommen. Das heißt, sie sind nicht in der Lage aufzustehen oder zu gehen und diese Fähigkeit, als wichtige Voraussetzung der Selbständigkeit und Kommunikation, müssen wir wieder aufbauen, sonst wird der Patient rasch zu einem Pflegefall. Die Erfolge der Geriatriebehandlung sind überzeugend. Nach der Statistik aus dem Jahr 2005 konnten 87,5 Prozent unserer Patienten wieder nach Hause entlassen werden.

Warum ist Prävention gerade im Alter so wichtig?

Zunächst einmal möchte ich betonen, dass eine geriatrische Klinik kein Pflegeheim ist. Ihre Aufgabe ist gerade, die Pflegeabhängigkeit zu verhindern. Prävention ist deshalb wichtig, weil im Alter sehr schnell ein Leistungsverlust entstehen kann, der dann die Chance auf eine Wiederherstellung immer schwieriger macht oder verhindert. Deshalb sollte der geriatrisch erfahrene Arzt bereits im Anfangsstadium mit einbezogen werden. Das Bewusstsein für die Möglichkeiten der Geriatrie muss stärker gefördert werden. Hier liegt eine wichtige Aufgabe für den neu gegründeten Verein „Patientenhilfe 60 und älter“. „Geriatrie“ sollte als Begriff so selbstverständlich sein wie „Pädiatrie“.

Vision in der Pflege.

Wir haben es mit älteren Menschen zu tun, die unseren Respekt und unsere Liebe brauchen. Uns muss klar sein, dass im Alter manches langsamer geht, und dass wir Verständnis in Hilfe umsetzen müssen. Pflege heißt in unserem Fall deshalb, nicht nur anfallende Arbeiten abzunehmen, sondern die Patienten soweit es irgendwie geht, einzubinden in die Förderung ihrer Selbständigkeit. Dies gilt in der Pflege und Physiotherapie, genauso wie für alle anderen Mitarbeitergruppen im Hause, die sich gemeinsam für den Patienten einsetzen. Die Arbeit im Team ist Kennzeichen der Geriatrie und Bestandteil unseres Erfolgskonzeptes.

Ist Ihnen die Zusammenarbeit mit Ärzten der anderen medizinischen Einrichtungen des Landkreises auch wichtig?

Die Zukunft aller, die im Gesundheitsbereich tätig sind, liegt nur im Miteinander. Das sehe ich für die Geriatrie Klinik im ganz besonderen Maße, weil die Geriatrie etwas anbieten kann, bei dem anderen Kliniken Grenzen gesetzt sind. Die Vernetzung der ambulanten und stationären Strukturen in der Region ist der einzige Weg, mit dem wir das hohe Niveau der medizinischen Versorgung auch in Zukunft erhalten können. Wir sollten nicht Vielerorts dasselbe anbieten, sondern mit Spezialaufgaben die breitflächige medizinische Absicherung der Patienten ergänzen.

Muss sich der Träger einer Klinik wie dieser angesichts der neuen Gesundheitsreform zunehmend mehr als Gewerbeunternehmer sehen?

Ich persönlich würde kaufmännische und medizinische Belange nicht trennen. Ich sehe darin auch keinen Widerspruch, sondern finde es interessant, dass ich in meiner Person als niedergelassener Arzt, als Operateur und als Klinikbetreiber diese Aufgaben miteinander verbinden kann. Wenn die Mittel begrenzt sind, müssen sie besonders kostenbewusst eingesetzt werden. Das gilt für jedes Unternehmen, auch im Gesundheitsbereich. Die Frage ist doch, was wir uns als Gesellschaft in Zukunft im Gesundheitsbereich leisten wollen? Wieweit geht die Fürsorgepflicht der Jungen gegenüber den Älteren? Dazu muss man wissen, dass die demographische Entwicklung die Teuerung im Gesundheitswesen nur mit 1,5 Prozent betrifft, nahezu die gesamte Kostenentwicklung resultiert aus dem medizinischen Fortschritt, der uns das Älterwerden möglich macht.

Die Klinik ist auch ein bedeutender Arbeitgeber für die Bürger der Stadt. Wie viele Arbeitsplätze stellen Sie hier insgesamt zur Verfügung?

Wir haben etwas über 80 Mitarbeiter in der Klinik in Rosenheim und 350 Mitarbeiter sind es am Standort Bad Aibling/Harthausen. Insgesamt also 430.

Mit welchen Fragen wenden sich die Mitarbeiter Ihres Hauses an Sie?

Neben fachlich bezogenen Fragen gibt es immer wieder auch Gespräche über persönliche Anliegen. Diese sind sehr geprägt von den Sorgen unserer Zeit, insbesondere über die Erhaltung des Arbeitsplatzes. Die Entwicklung hat aber auch zur Folge, dass die Mitarbeiter sehr offen geworden sind für die Begriffe Leistung, Freundlichkeit und erweiterte Aufgabenstellung.

Wer ist für die Schulung Ihrer Mitarbeiter zuständig?

Der medizinische Teil ist durch hausinterne Fortbildung, direkte Schulung und ständigen Kontakt mit den vorgesetzten Ärzten geregelt. Alle Mitarbeiter besuchen regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen, um stets das neueste Wissen in die Klinik integrieren zu können. Neben der medizinischen Fortbildung unserer Mitarbeiter legen wir großen Wert auf die Entwicklung von Kommunikation und Dienstleistungsbewusstsein. Unsere Mitarbeiter werden regelmäßig durch ein Trainingsteam aus der Hotelfachschule Klessheim geschult. Die Freundlichkeit im Hause ist für uns ein sehr wichtiges Markenzeichen unserer Kliniken.

Wie wird sich das Leistungsangebot der Klinik hier in Rosenheim sowie der Harthausen-Gruppe zukünftig weiterentwickeln?

Die Geriatrie Klinik wird ihr Angebot für die zunehmend älter werdende Bevölkerung ständig weiter ausbauen. In unseren Kliniken wird nicht nur der stationäre Bereich, sondern verstärkt auch die ambulante Versorgung fortentwickelt. Wir werden in den Kliniken Harthausen Rosenheim vermehrt Spezialsprechstunden und Beratung anbieten, die bereits jetzt schon, zum Beispiel mit Themen wie „Reisen im Alter“ und dazu notwendige Impfungen, Ernährungsberatung und Behandlung von Inkontinenz, durchgeführt werden. Inkontinenz ist ein sehr großes und weit verbreitetes Problem für ältere Leute und in der Regel noch ein Tabuthema, das wir durch Aufklärung durchbrechen müssen. Insgesamt garantiert das Konzept unserer Gruppe durch den hohen Spezialisierungsgrad und die vorhandenen ausgezeichneten Fachleute eine optimale Betreuung. Wir bieten alles aus einer Hand, von der Prävention über die medizinische Behandlung bis hin zur Rehabilitation, sowohl stationär als auch ambulant. Dieses Konzept werden wir weiter ausbauen.

Als Privatunternehmer sind Sie auch zur Gewinnerwirtschaftung verpflichtet.

Das ist richtig, sonst könnten wir nicht investieren. Aber zunächst einmal sehen wir als unsere Aufgabe, die medizinische Versorgung ständig zu fördern und zu verbessern, das Ambiente angenehm zu gestalten und vor allem die persönliche Fürsorge für unsere Patienten bewusst umzusetzen. Ich stehe in der persönlichen Verantwortung, wenn das Unternehmen die wirtschaftlichen Ziele nicht erreicht. Diese Verpflichtung ist sicher ein entscheidender Unterschied zu kommunalen Trägern. Das Risiko eines privaten Unternehmens bedeutet aber auch einen gewaltigen Ansporn, von dem ich hoffe, dass alle unsere Mitarbeiter ihn so empfinden.

Thema Qualitätssicherung.

Die Qualitätssicherung ist als Instrument zur stetigen Verbesserung und Überwachung der Leistung und der Standards in einem modernen Krankenhausbetrieb selbstverständlich. In unserer Klinik nimmt die Qualitätssicherung in allen Leistungsbereichen einen bedeutenden Stellenwert ein, in den alle Berufs- gruppen eingebunden sind. Dazu gehört ständige Aufmerksamkeit jedes einzelnen Mitarbeiters, die wir durch Fortbildungsmaßnahmen laufend fördern. Hier sehe ich für die Zukunft meine Hauptaufgabe.

Inwieweit hat sich der Beruf des Arztes in den letzten Jahren verändert?

Mit den medizinischen Aufgaben sind immer mehr administrative Belastungen verbunden, die der Arzt erfüllen muss. Diese kosten Zeit und schaffen manchmal eine gewisse Distanz zum Patienten, obwohl man eigentlich Nähe sucht. Die Administration führt zu einer erkennbaren Unzufriedenheit innerhalb der Ärzteschaft, die noch durch die finanzielle Unsicherheit durch neue Entgeltsysteme verstärkt wird. Trotzdem bleibt die Vorstellung, sein Können mit Freude zum Wohl der Patienten einzusetzen, für den Beruf des Arztes unverändert.

Sehen Sie das als typisch deutsches Problem?

Ich weiß von meinen Aufenthalten an Kliniken im Ausland, dass ähnliche Bestrebungen einer strukturierten Dokumentation überall herrschen. Aber die Perfektion, mit der bei uns alles umgesetzt wird, halte ich schon für ein rein deutsches Problem.

Das deutsche Gesundheitswesen kränkelt immens. Welche Probleme beschäftigen Sie am meisten?

Das Problem ist, dass wir durch die medizinischen Fortschritte heute ausgezeichnete Leistungen zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit erbringen können, die aber mit immer höheren Kosten verbunden sind. Einerseits sind wir aufgrund dieser Entwicklung in der Lage, bestmögliche Ergebnisse zu erzielen, andererseits steht dieser Möglichkeit eine beschränkte Geldsituation gegenüber, die zu Begrenzungen führt. Die Gefahr besteht darin, dass wir nicht nur rationalisieren und versuchen müssen, diese Leistungen zu möglichst günstigen Konditionen gleichmäßig aufzuteilen, sondern dass wir gezwungen werden zu rationieren. Das heißt, wir könnten durch Begrenzung gezwungen werden, Patienten auswählen zu müssen, denen die Hilfe vorenthalten wird. Das halte ich mit dem ärztlichen Beruf in keiner Weise vereinbar. 

Da könnten die Patienten auf die Idee kommen, dass es zu ihren Lasten geht.

Wenn wir nicht alle zusammen dazu stehen, unsere Möglichkeiten weiterhin allen Patienten zugänglich zu machen, dann ist diese Entwicklung durchaus zu be- fürchten.

Werden Sie mit politischen Problemen konfrontiert?

Ja, und zwar mit ungewissen, ständig sich ändernden Rahmenbedingungen durch die Gesundheitspolitik, mit deutlich reduzierten Entgelten für dieselben Leistungen und erschwerten Abstimmungsmöglichkeiten mit Behörden und Kostenträgern.

Einen kurzer Überblick auf Ihren Lebenslauf.

Ich bin Facharzt für Orthopädie und Rheumatologie, ein Fachgebiet der Medizin, das mich immer wegen seiner funktionellen Sichtweise außerordentlich fasziniert hat. Während meiner Ausbildung zum Facharzt bin ich in eine Entwicklung hineingewachsen, die den operativen Teil der Orthopädischen Medizin enorm gefördert hat. Dadurch gibt es heute viele Hilfsmöglichkeiten, die zu Beginn meiner Ausbildung noch gar nicht vorstellbar waren. 1985 verstarb mein Schwiegervater Dr. Knarr, von da ab habe ich dann im Rahmen der Familie die Leitung und die wirtschaftliche Verantwortung für die damalige Kurklinik Hart- hausen in Bad Aibling übernommen. Dies eröffnete mir die Möglichkeit, viele meiner Vorstellungen umzusetzen. Insbesondere der Aufbau des Krankenhausbereiches mit dem Schwerpunkt der operativen und rheumatologischen Orthopädie. In den letzten Jahren sind viele neue Schwerpunkte dazugekom- men, wie die Schmerztherapie und Wirbelsäulenchirurgie und besonders die Verbesserung der geriatrischen Versorgung. Die Verbindung von präventiver Medizin, Akutbehandlung und Rehabilitation, die heute unter dem Begriff der integrierten Versorgung betont wird, ist für mich die Philosophie für die Entwicklung der Kliniken Harthausen gewesen. Dass ich für einen Betrieb verantwortlich sein darf, für die Mitarbeiter und die Patienten, erfüllt mich mit Dankbarkeit.

Dr. Neumann, ich danke Ihnen für das ausführliche Gespräch.

     
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