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THOMAS DEGOTT 

Geschäftsführer der Kreiskliniken Berchtesgadener Land
Edition: Bad Reichenhall 2003

   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

Fit für die Zukunft - Thomas Degott, Geschäftsführer der Kreiskliniken im Berchtesgadener Land, spricht hier über sein erfolgreiches „Gesundheitskonzept”

 

Ein Krankenhausaufenthalt ist in den meisten Fällen mit persönlicher Sorge, Unsicherheit, manchmal auch Angst verbunden. Ärzte und Pflegekräfte, die technischen Dienste, Küche und Wirtschaftsdienste sowie alle sonstigen Mitarbeiter der Kliniken des Landkreises Berchtesgadener Land sind deshalb bestrebt, durch ihr Handeln eine hohe Qualität der angebotenen Dienstleistungen zum Wohle des Patienten zu erzielen. Für den reibungslosen Ablauf und das Zusammenspiel aller Geschehnisse in den Kliniken zeichnet Thomas Degott verantwortlich. Verleger Ralf Hansen besuchte den Geschäftsführer der Kreiskliniken Berchtesgadener Land und führte mit ihm ein Gespräch.

 

 

Herr Degott, seit 1. April 2005 zeichnen Sie für die Geschäftsführung der Kliniken im Berchtesgadener Land verantwortlich. Welche Tätigkeiten umfasst Ihr Aufgabengebiet?

Meine Hauptaufgabe besteht darin, Mittler zu sein zwischen der Ökonomie eines Krankenhauses und der Medizin sowie der Pflege. 

Wo sehen Sie die besondere Stärke des Klinikums?

Durch die Fusion der drei Kliniken des Landkreises wurden bisher doppelt vorgehaltene medizinische Leistungen durch neue Spektren wie zum Beispiel die Orthopädie und demnächst die Thoraxchirurgie ersetzt. Damit hat unsere Angebotspalette an Attraktivität gewonnen und die Zahl der Erkrankungen oder Verletzungen, die eines Aufenthalts in einer Klinik außerhalb dieses Landkreises bedürften, hat erheblich abgenommen. Darüber hinaus hat uns der wirtschaftliche Druck gezwungen, über unseren Mitteleinsatz und insbesondere althergebrachte Prozesse nachzudenken und diese zu optimieren, vor allem auch im Interesse des Patienten.

Das deutsche Gesundheitswesen kränkelt. Welche Probleme beschäftigen Sie derzeit am meisten?

Was uns derzeit bewegt, ist die seitens der Kassen sehr forciert betriebene Verschiebung stationärer Leistungen in den ambulanten Bereich. Speziell in unserer Grenzlandlage wird diese Situation deutlich dadurch verschärft, dass die Kostenträger die Türen dafür geöffnet haben, dass Patienten auch in den Landeskliniken Salzburg behandelt werden dürfen, während Österreichern der Weg in deutsche Kliniken weiterhin versperrt ist. Ein segensreicher Trend im Interesse der Krankenhäuser als auch der Patienten ist sicherlich das verstärkte Augenmerk auf Qualitätsmanagement. Dies zu verbessern, unternehmen wir im Moment ganz erhebliche Anstrengungen.

Die Gesundheitsreform hat neue Spielräume auf dem Krankenhausmarkt eröffnet. Wo sehen Sie die deutlichsten Veränderungen?

Die Veränderungen sind vielfältig. Verweildauern, die sich durch medizinischen Fortschritt und angepasste Prozesse zunehmend reduzieren, führen zu einer deutlichen Steigerung der Arbeitsbelastung, insbesondere in der Pflege. Insgesamt steigt der Vernetzungsgrad in der Gesundheitswirtschaft während der letzten Jahre ganz deutlich an. Das heißt, dass die Kooperationsfelder zwischen unterschiedlichen Leistungserbringern im Gesundheitsmarkt deutlich zunehmen.

Ihre Aufgabe ist es, die Kliniken wirtschaftlich zu führen. Mit welchen Problemen werden Sie speziell konfrontiert?

Die Probleme sind die gleichen, wie sie der Bürger aus der Presse hinsichtlich der Kassenbeiträge stetig erfährt. Fazit: das Geld wird knapper. Bislang konnten und mussten Krankenhäuser darauf durch ein effizienteres Kostenmanagement reagieren. Ich persönlich glaube, dass die Einsparmöglichkeiten auch, und insbesondere in unseren Kliniken, nahezu ausgeschöpft sind. Gleichzeitig macht keine Branche so große Innovationsschübe wie das Gesundheitswesen und die Medizintechnik. Diese durch entsprechende Investitionen ins Haus zu holen, in einer Zeit, in der sich die Politik aus der Förderung zurückzieht, ist nicht einfach.

Patienten könnten bei dieser Antwort auf die Idee kommen, dies ginge zu Lasten der Qualität ihrer medizinischen Versorgung. 

In diesem Punkt müssen wir denken lernen wie ein Industriebetrieb. Ohne Qualität keine Kunden, ohne Kunden kein Umsatz und damit keine vernünftigen Zahlen. Das Letzte woran wir sparen dürfen, ist die Qualität der Behandlung. Patienten sind heute - Gott sei Dank - erheblich mündiger als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Das heißt, Patienten kommen informiert in die Klinik und sind heute mobil genug, sich in ein anderes Krankenhaus verlegen zu lassen, sofern sie subjektiv der Meinung sind, keine gute Behandlung zu erfahren. Insofern muss die medizinische Leistungsqualität unser höchstes Ziel sein. Innerhalb des aufgezeigten Investitionsdilemmas heißt das für uns, dass wir sehr genau prüfen müssen, welche Leistungen wir als Haus der Grund- und Regelversorgung anbieten sollten, und welche Erkrankungen oder Eingriffe wir Maximalversorgern überlassen müssen. Dies ist eine der Überlegungen, die uns zu der Kooperation mit dem Klinikum Traunstein-Trostberg bewogen hat. 

Ein wesentliches Element der Gesundheitsreform ist die engere Vernetzung der verschiedenen medizinischen Leistungserbringer. Wie sind Ihre ersten Erfahrungen auf dem Gebiet Integrierte Versorgung?

Die Integrierte Versorgung ist die Umsetzung des politischen Willens, dass medizinische Versorger sich vernetzen müssen. Wir stellen heute aus unserer Erfahrung fest, dass der rechtliche Rahmen adäquater Verträge relativ eng ist und der Abschluss solcher Verträge für alle Beteiligten bei weitem noch nicht allzu häufig geübte Praxis. Insofern verwenden wir derzeit sehr viel mehr Energie, auf konventionellem Wege das Verhältnis und die Kommunikation zu den niedergelassen Ärzten zu verbessern.

Ist Ihnen Zusammenarbeit mit Ärzten und anderen medizinischen Einrichtungen des Landkreises wichtig?

Die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten ist sowohl für die Qualität unserer erbrachten Leistungen, als auch für unser wie deren wirtschaftliches Arbeiten von entscheidender Bedeutung. Wir merken das heute sehr deutlich an dem Patientenabfluss nach Salzburg. Nach unseren Recherchen besuchen etwa die Hälfte dieser Patienten auch keinen niedergelassenen Arzt im Landkreis mehr. Wenn dieser Trend anhält, sind nicht nur Krankenhäuser sondern auch noch eine Vielzahl niedergelassener Praxen in ihrer Existenz bedroht. Und genauso wie Krankenhausbetten, die einmal gestrichen worden sind, nicht mehr eingerichtet werden, ist es im Bereich der Niedergelassenen wenig wahrscheinlich, dass einmal verschwundene Disziplinen irgendwann wieder auftauchen. Insofern muss es unser aller Interesse sein, auch und vor allem zum Wohle des Patienten die Kommunikation zu erhöhen, Abläufe zu beschleunigen und die Stärken und Schwächen des Partners zu akzeptieren und respektieren.

Welche Belegärzte sind hier in Bad Reichenhall tätig?

Am Krankenhaus Bad Reichenhall sind folgende medizinische Disziplinen belegärztlich vertreten: Augenheilkunde, Urologie und HNO. Mittelfristig ist auch die Präsenz des Fachbereichs Nephrologie zu erwarten.

Ihre Aufgabe besteht auch darin, neue Ressourcen zu finden. Darf man in diesem Zusammenhang überhaupt von „neuen Geschäftsideen“ sprechen, oder ist dieser Begriff noch immer tabu? 

Tabus, sofern es sich bei den Geschäftsideen um medizinische Leistungen handelt, darf es nicht geben. Die aufgezeigten Verschärfungen in der Gesetzgebung in unserer Branche haben durchaus auch Freiräume zur Gestaltung neuer Leistungen gebracht. Stichwort, gerade in dem traditionellen Lungenkurort Bad Reichenhall, ist sicherlich die Wiedererrichtung einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen der Atmungsorgane. Darüber hinaus entwickeln wir derzeit Konzepte um den Besonderheiten des Landkreises gerecht zu werden. Ein Beispiel ist sicher die Borreliosebelastung im südlichen Landkreis. Insgesamt ist es aber auch an der Zeit, der Demographie des Landkreises, das heißt seiner relativen Überalterung, durch entsprechende Leistungsangebote Rechnung zu tragen. Dies beginnt schon bei der Beschilderung und Orientierung im Krankenhaus. 

Könnten Sie sich vorstellen, dass eine dieser Ressourcen vielleicht auch auf die Gesundheit ausgerichtete Geschäfte sind, die im Krankenhaus eröffnet werden? Patienten Serviceformen anzubieten, die bis heute eher unüblich sind für die Klinik, ist sicherlich ein richtiger Weg. Das Motto „Patientenhotel“ ist noch nicht hinreichend mit Leistungen gefüllt. Geschäftseröffnungen im Krankenhaus selbst bergen allerdings neben der regelmäßig problematischen Raumfrage vor allem mannigfaltige steuerliche Probleme. Insofern sind wir in diesem Punkt in unseren Möglichkeiten sehr eingeschränkt.

Was wird sich im Gesundheitswesen noch ändern?

Für die Zukunft im Gesundheitswesen hoffe ich, dass sich die wohnortnahe Versorgung aufrechterhalten lässt. Allerdings wird nicht mehr alles überall angeboten werden können. Die Spezialisierung wird weitergehen, so dass verschiedene Teilbereiche nur noch an bestimmten Orten angeboten werden. Die Kliniken sind ein bedeutender Arbeitgeber für die Bürger des Landkreises. Wie viele Arbeitsplätze stellen Sie insgesamt zur Verfügung? 

Nach einer sehr ausgeprägten Phase der wirtschaftlichen Gesundung in 2004 beschäftigen wir heute wieder etwa 900 Mitarbeiter und beginnen ganz zaghaft zu wachsen.

Mit welchen Fragen wenden sich die Mitarbeiter an Sie?

Die momentane Stimmung ist natürlich sehr stark geprägt von den wirtschaftlichen und strukturellen Veränderung in den drei Kliniken. Zwar steht nicht immer nur der Arbeitsplatzerhalt im Vordergrund, was durchaus verständlich ist; es geht in vielerlei Gesprächen auch um die Neugestaltung von Arbeitsabläufen und Ähnlichem. Da gilt wie in jedem Industriebetrieb: nur informierte Mitarbeiter arbeiten angstfrei und können ihre Kreativität entfalten.

Wer unterstützt Sie bei Ihrer persönlichen Arbeit?

Eigentlich ist es umgekehrt. Ich versuche die Führungskräfte hier im Hause bestmöglich zu unterstützen, damit sie ihre Arbeit gut machen können. Meine Hauptaufgabe und die des Krankenhausdirektoriums ist es, gemeinsam mit Chefärzten, Oberärzten, Stationsleitungen und anderen wichtigen Führungskräften, unsere Kliniken fit für die Zukunft zu machen.

Wodurch ist der medizinische Versorgungsauftrag des Hauses besonders geprägt?

Die Kliniken des Landkreises Berchtesgadener Land sind Krankenhäuser der so genannten Grund- und Regelversorgung. Das bedeutet, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landkreises bei allen gesundheitlichen Problemen weiterhelfen können, die keiner Hochleistungsmedizin bedürfen. Das heißt in weit über neunzig Prozent aller gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind wir der richtige Ansprechpartner. Innerhalb dieses Rahmens wird an allen Standorten hervorragende medizinische Leistung erbracht, und so fällt es schwer, einzelne Fächer herauszugreifen.

Man liest seit 2003 ständig von Strukturveränderungen im medizinischen Leistungsspektrum der Kliniken des Landkreises. 

Diese Strukturveränderungen sind ein sehr deutliches Beispiel für positive Nachrichten, die aufgrund der langen Zeit die sie zur Umsetzung brauchen, in der öffentlichen Meinung ins Negative verkehrt werden. Fakt ist, dass dieser Landkreis nach erfolgreichem Abschluss dieser Veränderungen einer der wenigen sein wird, der weiterhin stationäre medizinische Versorgung an drei Standorten betreiben wird, und zwar weiterhin und dauerhaft in kommunaler Trägerschaft. Die Strukturveränderungen betreffen im Wesentlichen einen unvermeidbaren Abbau von Bettenkapazitäten, die in Zeiten sinkender Verweildauer schlichtweg überflüssig sind. Des Weiteren folgen wir politischen, medizinischen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten, indem wir medizinische Leistungen einer höheren Leistungsstufe an jeweils einem Standort bündeln, wie zum Beispiel die Bauchchirurgie und die Gynäkologie am Standort Bad Reichenhall. Dies führt nicht nur zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmendaten, sondern auch zu einer regelmäßig besseren medizinischen Leistung. Denn wie in der Produktion gilt auch in der Medizin der Grundsatz: dort wo Leistungen regelmäßig oder häufig erbracht werden, werden sie im Zweifel in höherer Qualität erbracht, als wenn der gleiche Eingriff an anderer Stelle eher die Seltenheit darstellt. In der Summe ist diese Umstrukturierung mit keinerlei Abbau von medizinischen Leistungsmengen im Landkreis verbunden sondern mit dem Gegenteil.

Inwieweit erfahren Sie Konkurrenzdruck durch den Wettbewerb mit Salzburg?

Die Landeskliniken Salzburg, mit denen uns mannigfaltige Kontakte verbinden, sind als Wettbewerber im gleichen Markt für uns aus zweierlei Hinsicht problematisch. Erstens ist es immer schwierig, einen Maximalversorger in der Nachbarschaft zu haben. Es gibt, wie im Fall der Herzchirurgie, eindeutig Krankheitsbilder, die in Salzburg besser aufgehoben sind als in einer unserer Kliniken. Das Gros der Patienten, die die Landeskliniken aufsuchen, wäre in den Kliniken des Landkreises ebenso hervorragend aufgehoben. Der zweite Punkt betrifft das Abrechnungsrecht. Während nahezu alle bayerischen Krankenkassen mit den Landeskliniken Vereinbarungen getroffen haben, wonach deutsche Patienten auf Kassenkosten in Salzburg behandelt werden dürfen, gilt dies im Umkehrschluss leider nicht. Auch mit besten medizinischen Leistungen scheitert die Gewinnung von österreichischen Patienten für unsere Häuser am Abrechnungsrecht.

Bestehen Kooperationen mit umliegenden Kliniken?

Es gibt zu allen Krankenhäusern und Rehabilitationskliniken in der Nachbarschaft informelle Kontakte. Hervorzuheben ist die seit Oktober letzten Jahres bestehende enge Kooperation mit der Kliniken Traunstein-Trostberg GmbH. Darin haben sich beide Träger in mehr als einem Dutzend konkreter Projekte sehr eng aneinander gebunden und profitieren auch beide davon. Sehr einleuchtend hierfür ist das Beispiel Einkauf. Fünf Krankenhäuser haben einfach andere Möglichkeiten der Preisverhandlung, als zwei oder drei. Insofern kann ich nur hoffen, dass diese Kooperation zu einem noch sehr viel stärkeren Zusammenwachsen führt.

Ihr typischer Tagesablauf...

...ist geprägt von Gesprächen, Sitzungen und Konferenzen. Natürlich gibt es auch zahlreiche Informationsveranstaltungen und Außentermine, die wahrgenommen werden müssen.

Geben Sie mir einen kurzen Überblick auf Ihren persönlichen Lebenslauf?

Ursprünglich stamme ich aus dem Saarland. Habe dort, an der Universität Saarbrücken, Betriebswirtschaftslehre studiert und in den folgenden Jahren das Krankenhauswesen aus Sicht der Wirtschaftsprüfung kennen lernen dürfen. Nach einigen Jahren bei einem mittelständischen Sozialunternehmen habe ich mich 1999 entschlossen, in die Beratungsbranche zurückzukehren; und somit bin ich bei der UHB consulting AG in St. Wolfgang gelandet. In deren Auftrag war es seit dem 1. April 2005 meine Aufgabe, die Konsolidierung der Kliniken GmbH voranzutreiben. Anfang 2005 hat dann der Landkreis unsere Beratungsgesellschaft mit der Geschäftsführung beauftragt.

Herr Degott, ich danke Ihnen für das Gespräch.

     
 © 2012 RALF HANSEN STADTBROSCHÜRENVERLAG