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BERGE ERLEBEN


Edition: Traunstein 2013

   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

Alfhart Amberger ist der erste Vorsitzende und somit das Herz und die Seele des Alpenvereins Traunstein. Seinem unermüdlichen Einsatz für das Ehrenamt verdankt die Sektion ihr reges Vereinsleben

Der Deutsche Alpenverein e. V. ist die größte Bergsteigervereinigung der Welt und der achtgrößte Sportverband Deutschlands. In ihm sind 354 rechtlich selbstständige Sektionen mit insgesamt rund 950.000 Mitgliedern organisiert. Die Sektion Traunstein ist eine davon und verfügt derzeit landkreisweit über rund 5.500 Mitglieder. Ehrenamtlicher Vorstand des Vereins ist Alfhart Amberger. Verleger Ralf Hansen lud in zu einem Gespräch. 

Herr Amberger, womit begründet sich die Faszination der Menschen für die Welt der Berge?
Die Frage, warum Menschen in die Berge gehen, ist immer wieder gestellt worden. Manchmal stellen wir sie uns auch - meistens allerdings tun wir es einfach, weil es uns danach drängt. Wenn man aber an einem kalten Herbstmorgen noch im Dunklen todmüde losgeht, oder an sich einem warmen Tag mit schwerem Gepäck dahinquält, kommt schon manchmal diese Frage wieder: Warum tun wir uns das an? Fast immer kommt die Antwort darauf kurze Zeit später aber von selbst. Die Ruhe, die Schönheit der Natur, das Licht, das dann über einen Felsgrat bricht, tausend Tautropfen aufleuchten lässt, die kühle Luft oder der schmeichelnd warme, duftende Wind, der uns aus einer Senke entgegen weht, Farben, Lichter, Schatten, Gerüche, die Weite, die Höhe und die Tiefe, Pflanzen, Tiere, Steine, die Lust, den Fels anzupacken und los zu klettern, der Drang, einen steilen Hang oder ein weites Kar zu erobern, die manchmal fast unendlich scheinende Sicht, der tiefblaue Himmel am Gipfel - die Liste ließe sich fast unendlich fortführen. Wer in die Berge geht, wird es verstehen, wer nicht, dem wird dieses Erlebnis verborgen bleiben.
Erzählen Sie mir bitte etwas über die Geschichte des Traunsteiner Vereins.
Die Alpenvereinssektion Traunstein ist bereits im Gründungsjahr des Deutschen Alpenvereins, im Jahr 1869, entstanden. Zu verdanken ist dies vor allem dem Landgerichtsrat Franz von Schilcher, der neben Johann Stüdl, Theodor Trautwein und Karl Hofmann am 9. Mai in München die Sektion München und den Gesamtverein aus der Taufe hob. Franz von Schilcher, übrigens ein profunder Kenner der Berchtesgadener Alpen und eine treibende Kraft beim Bau des Watzmannhauses, wurde nämlich in eben diesem Jahr nach Traunstein versetzt und machte sich zusammen mit dem Apotheker Joseph Pauer sofort daran, auch hier eine Sektion zu gründen, was am 9. Dezember mit 29 Mitgliedern offiziell erfolgte. Zum Arbeitsgebiet der Sektion Traunstein gehörten zwar die Chiemgauer Alpen, doch die Reiter Alpe, die als Standort für die im Jahr 1901 erbaute Traunsteiner Hütte gewählt wurde, befand sich teilweise auf österreichischem Gebiet. Grund dafür war, dass sich auf bayerischer Seite das Hofjagdgebiet des Prinzregenten Luitpold befand und die Errichtung einer Hütte nicht erwünscht war. Angesichts der Grenzsperre im Jahre 1936 sah sich die Sektion gezwungen, auf bayerischem Gebiet die „Neue Traunsteiner Hütte“ zu errichten. Dieses Karl-Merkenschlager-Haus - in Erinnerung an den verdienten Vorsitzenden - ist im Laufe der Jahrzehnte stetig modernisiert und ausgebaut worden und erfüllt jetzt dank Solaranlage, Photovoltaik und Solar-Luft-System sowie der 2009 fertig gestellten Pflanzenkläranlage in ökologischer Hinsicht höchste Ansprüche. Neben der alten und der neuen Traunsteiner Hütte betreibt die Sektion seit 1924 auch die „Traunsteiner Skihütte“ auf der Winklmoosalm. Von 1920 bis 1949 gehörte der Skiclub Traunstein als „Skiabteilung“ der Sektion an; deren bekanntester Sportler war Willy Bogner, der 1936 bei den Olympischen Spielen in Garmisch-Partenkirchen den olympischen Eid sprach. Traunstein ist auch durch großartige Alpinisten, die der Sektion angehörten, bekannt geworden. Die Gebrüder Pflanz, Toni Perchermeier, Joseph Gmelch, die durch die tragischen Nanga-Parbat-Expeditionen 1934 und 1937 bekannt gewordenen Willy Merkl und Peter Müllritter sowie Fritz Bechtold, Hans Huber, Gustl Kröner, Hans Haslacher, die Gebrüder Haberlander, Karl Winkler sen., Karl Rottenaicher, Sepp Laub und Franz Kämpfl schrieben Traunsteiner Bergsteiger­geschichte. Karl Bierdimpfl, Dr. Karl Winkler, Dietrich von Dobeneck, Karl Brenner und Otto Huber prägten nach dem Krieg das Sektionsgeschehen, unter anderem auch durch spektakuläre Expeditionen nach Afghanistan, in den Hohen Atlas und in die Sahara. Karl Schrag, dem 1985 die deutsche Erstbesteigung des Cerro Torre gelang, Gerold Göbl, Toni und Bruno Kallsperger, Gottfried Wallner, Erwin Praxenthaler, Peter Färbinger, Sepp und Hannes Weininger sowie Jan Mersch und Axel Eidam – um nur einige zu nennen – waren die Spitzenbergsteiger der Sektion in den folgenden Generationen bis in die Neuzeit.
Die Mitgliederzahl der Sektion Traunstein ist beeindruckend. Worauf führen Sie das zurück?
Der Verein verfügt über ein breit gefächertes Angebot für jede Altersklasse, was bereits an der Vielzahl der Gruppen erkennbar ist: Familiengruppe, Jugendgruppe, Jungmannschaft, Klettergruppen sowohl für Kinder als auch für Jugendliche, Mountainbike-Gruppe, Seniorengruppe, Tourengruppe und auch eine Wandergruppe.
Ihr Plädoyer für einen Eintritt in den Verein. Welche Vorteile genießen die Mitglieder?
Wir bieten unseren Mitgliedern einen umfassenden Versicherungsschutz sowie die kostengünstige Teilnahme an zahlreichen Ausbildungsmaßnahmen und Veranstaltungen der Sektion. Darüber hinaus können sie auch zu vergünstigten Preisen auf allen Hütten des Deutschen Alpenvereins übernachten. Eine ganz wesentliche Serviceleistung ist auch die Unterhaltung von Bergsteigerstützpunkten in den Alpen.
Womit konnten Sie vor allem junge Menschen begeistern, Mitglied zu werden?
Ein Meilenstein in der Sektionsgeschichte war zweifellos die Errichtung der Kletteranlage 1989, die 2009 grundlegend erweitert wurde und mit ausschlaggebend für den steten Mitgliederzuwachs, vor allem junger Menschen, ist.
Gibt es prominente Mitglieder in Ihrem Verein?
Der Deutsche Alpenverein war immer eine Vereinigung des gehobenen Bürgertums. Zu unseren Mitgliedern gehören beispielsweise der frühere Landtagspräsident Alois Glück sowie die Gattin unseres Verkehrsministers Peter Ramsauer – er selbst wird wohl mit seinem Amt zeitlich ausgelastet sein. Auch die international bekannten Huberbuam sind Mitglieder des Alpenvereins ...
... und üben auch schon mal Kritik, stimmt’s? 
Das ist richtig und gleichzeitig auch ganz natürlich, denn bei einem derart großen Bergsteigerverein können die Interessen nicht immer deckungsgleich sein. Ein Verein unserer Größe muss ja vielen Interessen genügen, und die der Leistungskletterer gehören eben dazu. Wir nehmen übrigens jede Kritik ernst, auch die eines Reinhold Messner.
Worum geht es dem?
Um die Natürlichkeit der Berge und die Vermeidung von Massentourismus. Da gibt es von unserer Seite dann schon auch eine andere Sichtweise als seine. Wir können doch niemandem verbieten, in die Berge zu gehen – wir können nur anbieten, unsere Mitglieder gut auszubilden. Außerdem würde es so manche technische Errungenschaft ohne die Mitarbeit des Alpenvereins gar nicht geben. 
Ein paar Gedanken zum Thema Ausbildung?
Die gute Ausbildung unserer Mitglieder ist eine wesentliche Voraussetzung für ein unfallfreies Bergerlebnis. Wir legen auch Wert darauf, dass unsere Ausbilder sich immer der neuesten und modernsten Ausbildungsmethoden bedienen.
Thema Alpen: Mit welchen Problemen sehen Sie sich hier konfrontiert?
Wir haben eine zunehmende Zahl von „Brandstellen“: Die wichtigste und bedrohlichste ist der laufende Klimawandel. Er wird in den Alpen noch stärker spürbar werden als im übrigen Deutschland, und seine Auswirkungen werden noch größer sein. Hinzu kommt ein zunehmender Event Tourismus, der Ausbau von Skigebieten mit Beschneiungsanlagen, immer härtere Formen des Sommer-Tourismus mit Möblierungen, Großveranstaltungen, wie Ski-Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele. Die Gewinnung erneuerbarer Energien wird nicht nur die Wälder verändern, sie droht auch die letzten unverbauten Bäche zu zerstören. Wenn ich mir vorstelle, wie in Österreich zu diesem Zweck ganze Täler geflutet werden, dann sind das Erscheinungen, die wir ganz sicherlich nicht mittragen wollen, jedenfalls nicht in diesem Ausmaß. Schließlich ist auch die Einwanderung von Wolf und Bär eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen.
Was halten Sie von der Kooperation mit einem Sponsor?
Der Deutsche Alpenverein pflegt bereits derartige Kontakte. Zum Beispiel mit der Sportgerätes-Industrie sowie mit Toyota, wo man sich mit dem Hybridantrieb nachhaltig um eine Entlastung der Umwelt bemüht hat.
Was bedeutet dem Alpenverein der Naturschutz, und sehen Sie hier ein Spannungsfeld zum Naturnutz?
Wir sind nicht nur ein Bergsteigerverein, wir gelten auch als anerkannter Naturschutzverband, der sich die Aufgabe gestellt hat, die Schönheit der Berge zu erhalten und, wenn nötig, auch gegen kommerzielle Interessen zu verteidigen. Man kann aber nicht alles verhindern, weil die Interessen, auch innerhalb des Vereins, doch unterschiedlicher Natur sind.
Wie viel Zeit verbringen Sie selbst in den Bergen?
Früher war ich privat jedes Wochenende in den Bergen unterwegs, mit zunehmenden Alter hat das ein wenig nachgelassen. Im Rahmen meiner Tätigkeit als Sektionsvorstand bin ich allerdings einmal in der Woche auf einer unserer Hütten, um nach dem Rechten zu sehen. 
Ihr Amt als Vorsitzender der Sektion Traunstein wird demnächst vakant. Kandidieren Sie erneut?
Nein. Ich habe nicht vor, erneut zu kandidieren. Es ist einfach an der Zeit eine Generationenübergabe durchzuführen. Außerdem muss ich auch auf meine persönliche Situation Rücksicht nehmen, ich bin jetzt über 70 Jahre alt.
Welche Voraussetzung muss Ihr Amtsnachfolger mit sich bringen?
Viel Zeit und die Fähigkeiten, Mitarbeiter zu integrieren und zu koordinieren sowie Verhandlungen mit öffentlichen Einrichtungen zu ­führen.
Herr Amberger, besten Dank für das Gespräch.

     
 © 2012 RALF HANSEN STADTBROSCHÜRENVERLAG