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TRADITION & MODERNE


Edition: Burghausen 2014/15

   
   
   
   
   
     
     
     
   
 


Seit 60 Jahren erobern die Dirndl „Made in Burghausen“ die Welt. In dieser Zeit avancierte der Barbarino-Stil zum Kult. Er ist zeitlos, edel und ohne modischen Firlefanz. Oberste Prämisse für den beachtlichen Erfolg des Unternehmens haben die Begriffe Tradition und Qualität


Frau Barbarino-Wagner, woran arbeiten Sie gerade?
Zurzeit arbeite ich an der Sommerkollektion 2015, die jetzt im August fertig gestellt sein muss, damit wir sie pünktlich auf der Trachtenmesse in Salzburg unseren Kunden präsentieren können. Über den Winter hinweg wird die Order produziert, Februar und März wird dann ausgeliefert. 
Ein Zitat von Marie von Ebner-Eschenbach lautet: „Wer aufhört, besser werden zu wollen, hört auf, gut zu sein.“ Entspricht das auch Ihrer Denkweise?
Ja natürlich. Die Philosophie, mit seinem Unternehmen qualitativ immer an der Spitze stehen zu wollen, sehe ich als Grundstein der erfolgreichen Entwicklung eines jeden Unternehmers. Die Orientierung an langfristigen Zielen auf Basis unserer Werte wie Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit spielt dabei eine große Rolle – wobei wir uns unseren Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern gleichermaßen verpflichtet fühlen.
Ein paar Worte zur Geschichte der Barbarinos.
Für seinen zweiten Sohn Steffano kaufte der um 1820 aus der Provinz Udine nach Traunstein eingewanderte Antonio Barbarino 1824 in Burghausen das Haus an der Herzog-Georg-Straße, heute Stadtplatz Nummer 116. Tüchtige Kaufleute waren die Barbarinos und ihrer neuen Heimat auch immer eng verbunden. Karl und Anton Barbarino, die Söhne des ersten Burghauser Barbarino, übernahmen 1850 den Salzhandel, später kamen eine Weinhandlung und das Petroleumlager dazu. Im Nachbarhaus Nummer 115, das Enkel Stephan 1895 erwarb, wurden die Kolonialwaren gelagert und 1918 sogar eine Bank eröffnet. Von 1894 bis 1897 war Stephan Barbarino sogar Bürgermeister der Stadt Burghausen. Sein Sohn Anton, der künstlerisch sehr begabt war, förderte intensiv den Tourismus in Burghausen. Auf seine Initiative gehen beispielsweise das historische Tanzspiel, das Meier-Helmbrecht-Spiel und das Seefest zurück. Außerdem verfasste er ein Heimatbuch und malte viele Bilder - vor allem von Burghausen und der näheren Umgebung. Sohn Anton Barbarino, mein Vater, der 1952 in das Gemischtwarengeschäft einstieg und dieses zunächst mit seiner Schwester Raia führte, erweiterte das Angebot. Mit meiner Mutter Margarethe, eine Absolventin der Meisterschule für Mode, nahm er auch die eigene Herstellung von Trachtenmode auf, 1952 wurde im Haus Stadtplatz 115 eine Dirndlstube eingerichtet. Nach der Heirat wurde der Umfang der eigenen Herstellung von Trachtenmode ausgebaut. Der Siegeszug der Barbarino-Trachten begann. Mit behutsam modernisierten Dirndl-Kleidern schufen die Barbarinos schon damals einen eigenen Stil, der bald in ganz Bayern Anhänger fand: schlicht und zeitlos. Diese Philosophie gilt bis heute. Seit 1995 führe ich nun das elterliche Geschäft. Meine berufliche Ausbildung war sozusagen schon vorgezeichnet, denn schon als kleines Mädchen, bevor ich zur Schule ging, hatte ich meine eigene Nähmaschine in der Werkstatt neben dem Geschäft. Um mein Talent als Mode-Direktrice, das mir praktisch in die Wiege gelegt wurde, weiter zu fördern, besuchte ich nach meiner Schneiderlehre im elterlichen Betrieb und einer zweijährigen Gesellenzeit in verschiedenen Betrieben die Münchner Meisterschule für Mode.
Trotz moderner Technik, die es heute gibt, wird hier noch sehr viel mit der Hand gearbeitet.
Ein echtes Barbarino-Dirndl begleitet die Trägerin ihr ganzes Leben. Das liegt zum einen daran, dass das Design zeitlos ist, zum anderen die zu verwendenden Stoffe höchste Qualität aufweisen müssen. Um daraus ein Dirndl fertigen zu können, das der Barbarino-Philosophie entspricht, werden Damenschneiderinnen benötigt, die nicht nur ihr Handwerk perfekt beherrschen, sondern auch eine gehörige Portion Liebe zum Detail innehaben. Maschinen können das nicht. In unserer Manufaktur arbeiten 18 Damen, die fast alle schon weit über 30 Jahre dem Unternehmen treu sind und an handwerklicher Perfektion Gefallen finden. Die Muster der Stoffe entwerfe ich übrigens teilweise selbst, oft liegen hierfür traditionelle Vorlagen aus alten Aufnahmen und Erzählungen zugrunde.
Wo liegt Ihre Toleranzgrenze? Darf es auch mal gewagter sein, wenn die Kundin es wünscht?
Ja, natürlich. Wenn eine Kundin mit ganz persönlichen Vorgaben unser Ladengeschäft aufsucht, werden wir sicherlich versuchen, ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Es kommt ja auf das komplette Erscheinungsbild an. Wenn junge Mädchen einfach mehr Bein zeigen möchten, dann kürzen wir – kein Problem. Natürlich bin ich auch offen für Neues.
Offenheit für Neues, steht das nicht im Widerspruch zu Ihrem Traditionsbewusstsein?
Im Gegenteil: Brauchtum muss sich auch weiterentwickeln, sonst stirbt es irgendwann aus. Natürlich hat alles seine Grenzen – Sie wissen schon: Firlefanz ist nicht mein Ding. Aber wer die Tradition und das Handwerk schätzt, begrüßt auch deren Weiterentwicklung.
Sind Sie kritisch sich selbst gegenüber?
Ja natürlich. Ich verwerfe auch mal Ideen, wenn ich mir nicht ganz sicher bin. Und wenn etwas nicht so funktioniert oder so aussieht, wie ich es mir vorstelle, wird so lange daran gearbeitet, bis ich zufrieden bin – auch wenn das viel Zeit in Anspruch nimmt. Halbe Sachen? Nein, die mache ich nicht.
Worauf achtet der Kunde heute mehr? Auf die Qualität des Produktes oder auf den Preis?
Wenn das Produkt stimmt, und wenn der Kunde das Gefühl hat, etwas Schönes für sein Geld zu bekommen, dann ist der Preis eher Nebensache. 
Woran erkennt man ein gutes Dirndl?
Am Stoff, an der Verarbeitung, an den liebevollen Details, am Schnitt und an der Passgenauigkeit. Das gesamte Erscheinungsbild sollte einfach gut passen.
Haben Sie ein Lieblingsmodell?
Ja, gibt es. Ich fertige seit 30 Jahren ein Dirndl aus einem original Blaudruck - der Kenner sieht das - und es ist immer noch schön. Ein Klassiker eben.
Für alle Nicht-Bayern: Was ist so toll am Dirndl?
Es ist körperbetonend, unterstreicht die Weiblichkeit und macht jede Frau noch ein wenig schöner.
Gibt es auch Frauen, denen ein Dirndl nicht steht?
Habe ich nur ganz wenige erlebt.
Gibt es ein zu eng beim Dirndl?
Wenn die Trägerin keine Luft mehr bekommt, ist es sicher zu eng. Aber eine gute Verkaufsberaterin, so wie wir sie auch haben, wird da schon die richtigen Worte finden.
Wie trägt man nun die Schürze richtig? Sie tragen die Schleife rechts. Heißt das, Sie sind nicht mehr zu haben?
Das ist so eine Frage, die ich gar nicht mag. Aber ja, es gibt solche Regeln: Verheiratete tragen beispielsweise die Schleife dort, wo sich der Ehering befindet, also rechts. Aber muss ich durch die Schleife eines Dirndls wirklich zu erkennen geben, welchen Ehestand ich habe? Ich denke eher nicht.
Was für ein BH gehört unter ein Dirndl?
Einer, der die Passform schön unterstreicht.
Thema Strümpfe. Ja oder nein?
Wenn es kalt ist, dann muss ich wohl Strümpfe anziehen.
Welche Jacke empfehlen Sie zum Dirndl?
Das ist immer sehr individuell, aber sie sollte das gesamte Erscheinungsbild komplettieren. 
Sonstige Must-haves?
Hüte, Schuhe, Taschen – wir haben alles im Laden.
Ist die Frage nach dem Preis eines Dirndl erlaubt?
Ja natürlich. Als Einstiegspreis sollte man mit 400 Euro rechnen. Wer eigene Wünsche maßgerecht verwirklicht haben möchte, muss mit rund zehn Prozent Aufschlag rechnen. Ein gerechtfertigter Preis wenn man bedenkt, dass jedes Häkchen und jeder Knopf von Hand angenäht wird.
Die ehemalige Kanzlergattin Doris Schröder-Köpf trägt ein Dirndl aus Ihrem Hause, ebenso Ruth Maria Kubitschek. Wem würden Sie denn gerne noch ein Dirndl auf den Leib schneidern?
Es gab mal eine Zeit, da hätte ich gerne Christine Neubauer mit einem unserer Dirndl ausgestattet.
Wo befindet sich die Dirndlgrenze? In Hamburg, Berlin und Köln sieht man sie ja so gut wie nicht.
Die Grenze wandert immer weiter Richtung Norden. Dort werden mittlerweile ja auch schon Oktoberfeste veranstaltet, und viele sehen es als Pflicht, da ein Dirndl zu tragen.
Was denken Sie, wenn Sie nach der Präsentation der neuen Kollektion auf einer Messe Ihre Runde drehen?
In der Regel freue ich mich, dass ich wieder einmal den Geschmack der Menschen getroffen habe - ich weiß es ja vorher nicht. Es ist doch immer auch ein Wagnis, aber dass ich mal komplett daneben gelegen bin – nein, das gab es gottlob noch nie. Manchmal ist es auch so, dass nach den Ordertagen noch viele Aufträge eingehen und ich mir dann Gedanken mache, wie das alles zu schaffen ist.
Karl Lagerfeld sagte mal, Männerkollektionen würden ihn zu Tode langweilen. Gilt das auch für Sie, oder warum haben Sie sich dem verschlossen?
Ich bin eine gelernte Damenschneiderin und der Beruf des Herrenschneiders ist ein komplett ­anderer. Aber wir kaufen Herrenkollektionen hinzu und bieten diese auch in unserem Laden an.
Welche Themen bewegen Ihre Branche derzeit?
Wir gelten schon als Exoten, weil wir unsere Dirndl in Deutschland anfertigen. Die meisten Textilien, auch die Toplabels, werden doch wegen der günstigeren Produktionskosten im Ausland gefertigt. Das sollte Ihre Frage schon beantworten. 
Was würden Sie einer Ausbildungssuchenden raten, wenn Sie sich für Ihren Beruf interessiert?
Dass es zwar ein ganz wunderschöner Beruf ist, aber auch, dass es sehr schwierig ist einen Lehrplatz zu finden, weil nur noch wenige Betriebe ausbilden. 
Bietet das Handwerk heute noch die Chance kreativ zu sein?
Ich denke schon. Schauen Sie mal in unsere Manufaktur, die lebt praktisch von unserer Kreativität.
Welche Voraussetzungen sollte man für diesen Beruf mitbringen?
Großes Interesse an Mode insgesamt, die Liebe zu Stoffen, Fleiß, Ausdauer – eigentlich all das, was man auch in anderen Berufen benötigt, um erfolgreich zu sein.
Hat das Handwerk noch goldenen Boden?
Also „goldenen Boden“ finde ich etwas übertrieben, aber da gute Handwerker immer benötigt werden, sehe ich die Zukunft des Handwerks schon positiv.
Verraten Sie mir den Namen einer bekannten Modeschöpferin, deren Arbeit Sie bewundern?
Jil Sander. Und die nicht nur, weil man mich schon mal als die „Jil-Sander-der-Trachtenmode“ bezeichnet hat. Ihr Name steht einfach für streng, klassisch, geradlinig – Attribute, die auch ich schätze.
Wie wäre es mit einem Barbarino-Museum? Das Motto könnte lauten: Das Dirndl im Wandel der Zeit.
Ja, das wäre vielleicht sogar eine gute Idee. Sprechen Sie mal mit Ihrem Chef Hans Steindl, der hat ja immer ein offenes Ohr. Eventuell gibt es dafür sogar schon die geeigneten ­Räumlichkeiten.
Welche Folgen hatte die Öffnung des europäischen Marktes für Sie und Ihren Betrieb?
Rund die Hälfte der Aufträge geht über den Großhandel nach Bayern, aber auch nach Österreich und Norditalien. Die Öffnung des europäischen Marktes brachte da schon Vorteile für uns. Die andere Hälfte wird übrigens hier über den Ladentisch verkauft.
Wie kann man Sie verärgern?
Es steckt so viel Arbeit und Liebe hinter jedem Teil der Kollektion - und wenn ich sehe, dass ein Dirndl aus unserem Hause nicht mit der gebotenen Sorgfalt behandelt wird, ja, dann ärgere ich mich.
Thema Firmennachfolge? Wer hat das Zeug dazu, Ihre Nachfolge anzutreten?
Ich warte auf meine Enkeltochter. Sie ist zwar erst acht Jahre alt, kennt aber jeden Stoff, kennt sich hier im Laden aus und sagt immer: Omama, ich werde Dein Geschäft mal übernehmen!
Das Wort Ruhestand existiert dann wohl in Ihrem Vokabular wahrscheinlich nicht.
Nein, nicht wirklich. Ich denke, dass ich schon noch lange arbeiten werde.
Wie erholen Sie sich von Ihrer Arbeit. Wo tanken Sie Kraft für neue Ideen?
In der Natur, in meiner Familie, mit Freunden – und an meinem schönen Wöhrsee.
Sind Sie zufrieden mit dem, was Sie haben.?
Ich bin sogar sehr zufrieden.
Gibt es Wünsche?
Der größte Wunsch ist, dass wir allesamt gesund bleiben.
Frau Barbarino-Wagner, herzlichen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg.

     
 © 2012 RALF HANSEN STADTBROSCHÜRENVERLAG