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MAX AICHER

Inhaber der Aicher-Unternehmensgruppe
Edition: Freilassing 1996

   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

Max Aicher übernahm das väterliche Baugeschäft im Jahre 1964, erntete mit der Errichtung konstruktiv anspruchsvoller Bauwerke schnell Anerkennung, vergrößerte die Firma ständig und wandelte sie schließlich in die heutige »Aicher Unternehmensgruppe« um. Der erfolgreiche Diplomingenieur ist mit Leib und Seele Unternehmer und wie viele andere kämpft auch er in seinem traditionsreichen Familienbetrieb mit den täglich anfallenden Problemen mittelständischer Unternehmen. Auch mit unpopulären Dingen sieht er sich ständig konfrontiert, dennoch wird für ihn der Beruf kaum zur Routine. In der STADTBROSCHÜRE redet er Klartext - über seine betrieblichen Perspektiven, über die Zukunft Freilassings und über die vielen kleinen und großen Probleme eines Unternehmers.

 

Herr Aicher, kann man als Hauptgesellschafter eines mittelständischen Konzerns mit rund 3.000 Mitarbeitern angesichts der angespannten Marktlage überhaupt noch ruhig schlafen?

Selbstverständlich, wenn man nicht ruhig schlafen würde, könnte man ja auch keine Leistung mehr erbringen. Ein guter Schlaf ist Voraussetzung für eine gute Fitness.

Das größte Problem deutscher Unternehmer scheinen im Moment die Lohnkosten zu sein. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Die sehe ich natürlich mit einer gewissen Sorge. Zum einen, weil die Mobilität der deutschen Arbeitnehmer sowieso schon nicht sehr groß ist, zum anderen, weil die entsprechenden Vertretungen, also die Gewerkschaften, eine Änderung der Immobilität in Bezug auf die Arbeitszeiten nicht gerade fördern. Ich selbst habe aber die Erfahrung gemacht, dass die Menschen durchaus bereit sind, für den gleichen Lohn etwas länger zu arbeiten, wenn dadurch Arbeitsplätze gesichert werden können. Dieses Verständnis steht aber im krassen Gegensatz zu den Meinungen der Gewerkschaften, da sie glauben, damit ihre Existenzberechtigung aufs Spiel zu setzen. 

Wer könnte ihrer Meinung nach das Steuer noch herumreißen?

Nur ein gemeinsames Gespräch der Arbeitnehmer und Arbeitgeber kann hier für Abhilfe sorgen. Auf betrieblicher Basis findet das ja sowieso schon weitestgehend statt. Ich muss sagen, dass ich in unseren Betrieben damit kein Problem habe und ich merke auch, dass die Leute gerne einmal mehr arbeiten, ohne dass sie gleich Überstundenzuschläge erwarten. Es gibt ja auch wieder Zeiten, in denen es weniger Arbeit gibt, wofür die Menschen dann auch leichter Verständnis finden. Als Beispiel nenne ich Ihnen die Baubranche, die im Winter ruht, oder das Geschäft mit dem Stahl, wenn sich die Konjunkturlage mal nicht so positiv darstellt.

Gefragt ist also mehr Flexibilität?

Richtig, und ich mahne die Berufsvertretungen an, hier endlich zu handeln, sonst wird es ein böses Erwachen geben. Unser Unternehmen hat keine wesentlichen Umsatzeinbrüche, was ich in erster Linie natürlich unserer sehr hohen Qualifikation, aber auch unserer großen Flexibilität zuschreiben darf. Wir würden auch lieber hier in der Nähe arbeiten, aber wir müssen dahin gehen, wo unsere Arbeit gefragt ist, weil in unserem Umfeld nicht mehr so viel gebaut wird, zum Bei- spiel nach Berlin. Unsere Mitarbeiter zeigen dafür Verständnis, sind bereit, sich anzupassen.

Was halten Sie vom Bündnis Arbeit?

Das ist die Konsequenz aus dieser Flexibilität. Aber mit ein, zwei oder auch nur drei Prozent Abweichung von der Norm ist es nicht getan. Man muss unter besonderen Umständen auch mal dazu bereit sein, dreißig oder gar vierzig Prozent mehr zu leisten. Das nenne ich Flexibilität. Und die nutzen dann auch größere Betriebe, wenn sie kleine Subunternehmer beschäftigen, die nach Bedarf reagieren. Beispielsweise kann doch die Wartung einer tagsüber genutzten Maschine in die Abend- und Nachtstunden verlegt werden, damit sie am nächsten Tag wieder funktionsfähig ist und weitergearbeitet werden kann. Überstundenzuschläge müssen nicht bezahlt werden, weil sich der Subunternehmer eben auf diesen nächtlichen Wartungsservice spezialisiert hat.

Ist die allgemeine Lage denn wirklich so bedrohlich? 

Man sollte es positiv sehen: die Lage ist sicherlich besser als die Stimmung.

Die derzeit schlechte Zahlungsmoral ist sicherlich auch ein Problem.

Das ist ein generelles Problem. Man weiß mittlerweile, dass die Zahlungsmoral in anderen Ländern noch schlechter ist. Deshalb schließen sich wohl manche Firmen der schlechteren Zahlungsmoral der anderen Länder an. Insbesondere international tätige Firmen stellen fest, dass man in südeuropäischen Ländern erst nach drei Monaten sein Geld bekommt.

Aus welchen Firmen setzt sich die Unternehmensgruppe Aicher zusammen?

Die Unternehmensgruppe gliedert sich in vier Bereiche: Bau, Immobilien, Umwelttechnik und Stahl. Zum Bau gehören die Max Aicher GmbH & Co Hoch- Tief-Ingenieur-Bau und das Betonwerk Freilassing. Außerdem das Betonwerk Malsch/Karlsruhe und die Bayerische Park- und Lagersystem GmbH. Zum Be- reich Immobilien gehören der Industriepark Bischofswerda in Sachsen sowie die Abteilungen Verkauf und Vermietung. Die Sparte Umwelttechnik setzt sich zusammen aus der Klärschlammkonvertierung, der Müllbrikettierung, der Entsorgungstechnik, dem Ferntransportsystem BHS und der Schlacken- und Reststoffaufbereitung. Die vierte Gruppe, der Stahl, umfasst das Stahlwerk Annahütte in  Hammerau , das Lechstahlwerk in Meitingen, die Neue Maxhütte, die Isar-Eisenhandel GmbH in München und Ari-Stahl in Salzburg.

Wie sehen Sie die wirtschaftliche Perspektive Freilassings?

Solange die Mehrwertsteuerunterschiede zwischen Salzburg und Freilassing bestehen, sehe ich keine Veranlassung dazu, sie negativ zu betrachten. Österreich verlangt ja zwanzig Prozent Mehrwertsteuer, wir dagegen nur fünfzehn. Die Differenz von fünf Prozent sind aber für den Konsumenten sicherlich ein Anreiz dafür, hier mehr und öfters einzukaufen.

Kohl spricht aber in den letzten Wochen bereits von Mehrwertsteuererhöhung.

Ja leider, und je mehr diese Dinge angeglichen werden, desto mehr Kunden werden unserer Stadt fernbleiben. Aufgrund niedrigerer Lohnverhältnisse in Österreich wird es dem Einzelhandel auch nicht erspart bleiben, sich noch intensiver mit Österreich zu messen.

Decken Sie Ihren persönlichen Bedarf in Freilassing?

Ja, eigentlich alles.

Können Sie uns Ihren beruflichen Werdegang kurz schildern?

Ich bin in Freilassing geboren, habe hier die Grundschule besucht, später das Gymnasium in Bad Reichenhall. Nach dem Abitur im Jahre 1952 studierte ich bis 1957 in München Bauingenieur, war dann anschließend drei Jahre im Staats- dienst und absolvierte die Ausbildung zum Referendar. Im selben Jahr ging ich für sechs Monate nach Amerika, um eine Vertiefung der Ausbildung zu erreichen. An- schließend habe ich dann das elterliche Bauunternehmen übernommen, habe dort den Ingenieurbau weiter gefördert. Im Jahre 1975 erwarb ich die Annahütte, 1976 folgte die Beteiligung an den Lechstahlwerken, kurze Zeit danach auch die an der Maxhütte. 1994 erhielt ich vom Freistaat das Angebot, auch dessen Anteile an der Maxhütte zu übernehmen. Auf diese Weise hat sich aus dem anfänglichen Bau- unternehmen ein mittelständischer Konzern mit rund 3.000 Mitarbeitern heraus- gebildet.

Wie lange arbeiten Sie täglich?

Auf jeden Fall mehr als acht Stunden täglich. Aber solange mir die Arbeit Spaß macht, stellt sie keine Belastung dar. 

Was haben Sie sich für die Zukunft noch vorgenommen?

Ich möchte die gesamte Unternehmensgruppe in Form einer Holding konsolidieren. Eine Führungsholding also, die dann die operative Leitung der einzelnen Unternehmen steuert.

Hatten Sie früher einen Traumberuf?

Für mich ist der Bauberuf einer der schönsten Berufe überhaupt, weil man ja ständig kreativ gestalten kann. Und nachdem mich mein Vater schon sehr früh auf Baustellen mitnahm, mich dort in die Tätigkeiten einführte, wollte ich eigentlich nie etwas anderes machen, als zu bauen und zu gestalten.

Was haben Sie von Ihrem Vater gelernt?

Die Pflichterfüllung und den Spaß an der Arbeit.

Gibt es für Sie auch noch andere wichtige Dinge außer Karriere?

Natürlich. Zum Beispiel die Führung und Leitung der Familie, wobei ich auch hier wieder die Heranführung der Familienmitglieder an die Verantwortung als sehr wichtig empfinde. Meine Kinder machen mir übrigens viel Freude, weil sie alle ihre Arbeit sehr ernst nehmen. Darüber hinaus ist mir auch politisches Engagement sehr wichtig, weil ich hier einerseits Möglichkeiten sehe, mitzugestalten, andererseits aber auch gleichzeitig versuchen kann, die Überbürokratisierung abzustellen, die ich für das Hauptübel unserer Gesellschaft halte.

Wie gestalten Sie ihre knappe Freizeit?

Ich treibe etwas Sport, um mich fit zu halten.

In Firmenpublikationen bedanken Sie sich bei Ihren Mitarbeitern stets für deren Einsatz. Was erwarten Sie von ihnen außer Leistung?

Eine Repräsentation im Sinne der Firma. Damit meine ich Leistungs- willen und die Bereitschaft zu höchstem Qualitätsanspruch zum Wohle unserer Kunden.

Haben Sie ein schlechtes Gewissen, wenn Sie Leute »feuern« müssen, die Ihrem Anspruch nicht gerecht werden?

Als verantwortungsvoller Mensch hat man damit sicherlich Probleme. Ich versuche deshalb zunächst, einen solchen Mitarbeiter in einem anderen Bereich unseres Unternehmens einzusetzen, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich noch einmal zu bewähren.

Kennen Sie Unsicherheit?

Allenfalls dahingehend, dass ich vielleicht bei der Auswahl des Mitarbeiters Fehler gemacht habe.

Sind Sie süchtig nach Erfolg?

Ich glaube nicht, denn sonst würde ich mich mehr um Anerkennung durch die Öffentlichkeit bemühen.

Warum ist die Akzeptanz des Unternehmers in den USA besser?

Die Akzeptanz hängt doch schon mit der angelsächsischen Grundeinstellung zum Erfolg zusammen, die sich wesentlich von der in unserer Gesellschaft unterscheidet. Bei uns wird der Neidkomplex schon durch die öffentlichen Medien geprägt.

Haben es in Deutschland Frauen als Unternehmer schwerer als Männer?

Wenn Frauen hierzulande beruflich erfolgreich sein wollen, dann müssen sie besser sein als Männer. Ich selbst versuche stets, Frauen die gleichen Chancen einzuräumen wie Männern. Das gilt gleichzeitig für das Unternehmen wie für die Familie.

Wem würden Sie nichts verkaufen, auch wenn der Profit noch so groß wäre?

Jemandem, von dem ich weiß, dass er mich betrügen würde.

Nehmen wir mal an, Saddam Hussein möchte Sie als Berater beim Bau einer neuen Milchfabrik im Irak gewinnen. Würden Sie zusagen?

Nein.

Wie kommen Sie mit Konkurrenz-Unternehmen klar?

Sie akzeptieren uns, im übrigen liebe ich den Wettbewerb.

Welchen Stellenwert hat für Sie Umweltschutz?

Umwelttechnik und Umweltschutz hängen sehr eng zusammen und ich meine, dass wir gerade diesem Bereich, aufgrund unserer Aktivitäten, sowieso schon einen hohen Stellenwert eingeräumt haben. Umweltschutz sollte im übrigen nicht Selbstzweck sein, sondern er muss dem Menschen dienen.

Ein Blick in die persönliche Zukunft: Wie lange planen Sie, Ihr Unternehmen noch selbst zu führen und gibt es wieder einen Nachfolger aus der eigenen Familie?

Ja, es gibt die Nachfolge. Wie bereits erwähnt ist es mein Ziel, eine Holding zu gründen, in der die Familie eine bedeutende Funktion wahrnehmen wird. Aber natürlich nur, wenn sie die entsprechende persönliche Leistung erbringt.

Welche Leistungen meinen Sie damit?

Persönliches Engagement sowie Vorbild für die Mitarbeiter in der Leistung. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt werden, dann dürfte es wohl, aufgrund der Selbständigkeit der Firmen in der Gruppe, nicht so schwierig sein, diese erfolgreich weiterzuführen.

Belastet die Vererbung eines Unternehmens von Generation zu Generation nicht die freie Berufswahl? Hätten Sie auch Alternativen gehabt?

Ich meine, dass die freie Berufswahl nicht beeinträchtigt wird. Auch ich hätte im Laufe meines Lebens genügend Möglichkeiten gehabt, Alternativen zu ergreifen.

Wie war Max Aicher als Kind und welche Ansprüche stellte man damals an Sie?

Ich war ein ganz normales Kind und die Ansprüche, die an mich gestellt wurden, waren auch nicht anders als bei anderen Kindern. 

Wie reagierten denn die Mädchen auf den jungen Aicher?

Ich habe keine großen Unterschiede zu anderen feststellen können, vielleicht deshalb, weil ich mich immer bemüht habe, normal zu bleiben.

Sie wurden dieses Jahr 62. Haben Sie eine be- sondere Beziehung zu dieser Zahl?

Ich glaube nicht, dass ich mich dadurch in irgendeiner Form verändert habe.

Lässt die Kondition schon etwas nach?

Ich habe nicht das Gefühl.

Wie steht es mit der Midlifecrises?

Das müsste man andere fragen. Ich glaube nicht, dass ich irgendetwas in diesem Sinne erlebt habe.

Was halten Sie von Bundeskanzler Helmut Kohl?

Eine stabile Führungspersönlichkeit, die sich nicht durch Kleingezänk ablenken lässt, ihren Weg geht und sich trotzdem einer gewissen Lebensqualität nicht verschließt.

Und von seinen Kontrahenten?

Ich kenne Lafontaine persönlich, weil er früher ja für »Saarstahl« zuständig war. Ich glaube er ist ein Mann, der das Detail liebt, sich deshalb leider auch zu oft darin verstrickt.

Dem Papst?

Eine Persönlichkeit, die wir nicht zu beurteilen haben. Von einem Glaubensgremium gewählt. Ich finde die persönliche Leistung gut.

Wir blicken auf 20 Jahre Emanzipation zurück. Machen Ihnen die neuen selbstbewussten Frauen Angst?

Überhaupt nicht, ich fördere sie, wo ich nur kann.

Angenommen, Sie erhalten ein Paket eines Versandhauses aus Flensburg, dass Sie gar nicht bestellt haben. Würden Sie hineinschauen?

Wenn es mich nichts kostet, natürlich ja.

Was ist für Sie männlich?

Männlichkeit assoziiere ich gleichzeitig mit einer gewissen Führungseigenschaft sowie die Bereitschaft, als Vorbild mehr Verantwortung zu übernehmen.

Dürfen Männer auch mal weinen?

Ja natürlich. Ich selbst habe gerade in meiner Jungend kein Hehl daraus gemacht, wenn mich etwas tief bewegt hat.

Und Schwächen? Hat Max Aicher Schwächen?

Natürlich. Zum einen die Ungeduld mit den Mitarbeitern, zum anderen die geringe Rücksicht auf die Öffentlichkeitsarbeit. Vor allem auch die zu direkte Aussage. 

Und welche Traum würden Sie sich persönlich gerne erfüllen?

Ich hätte gern etwas mehr Zeit, um zu reisen.

Was assoziieren Sie mit Freilassing?

Eine in günstiger Lage aufstrebende Stadt, die aber leider architektonisch nicht optimal betreut ist. 

Abschließend nennen wir Ihnen noch zehn Begriffe, sie sagen uns bitte, was Ihnen dazu einfällt: Geld?

Braucht man.

Frauen?

Wichtige Begleiter.

Intelligenz?

Sollte man haben.

Das Alter?

Sollte keine zu große Rolle spielen.

Familie?

Ist wichtig.

Vereintes Europa?

Ein Ziel, das man nicht zu sehr forcieren sollte.

Kinder?

Unbedingt.

Tod?

Eine Entscheidung, die wir nicht beeinflussen können.

Freizeit?

Wünschenswert.

Aicher?

Wie er ist.

Herr Aicher, wir danken Ihnen für das ausführliche Gespräch und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.

     
 © 2012 RALF HANSEN STADTBROSCHÜRENVERLAG